In Fulda sagt man Gude!

In Fulda sagt man Gude!

Das „Welcome In Wohnzimmer“ will Harmonie stiften – und braucht Unterstützung

Gastbeitrag von Jochen Schiersch, hauptamtlicher Projektkoordinator des „Wohnzimmers“

„Miteinander statt übereinander reden.“ Unter diesem Motto planen etwa dreißig Ehrenamtliche der gemeinnützigen Initiative „Welcome In“ Fulda seit Monaten, einen Begegnungsraum mitten in der Innenstadt zu realisieren. Gemeinsam mit Geflüchteten soll ein einzigartiges „Wohnzimmer“ eingerichtet und betrieben werden, in dem nicht der Konsum, sondern das Einander-Kennenlernen im Mittelpunkt steht. Bei der Umsetzung braucht die Gruppe Unterstützung aus der Fuldaer Zivilgesellschaft.

Die Idee für das „Wohnzimmer“ entstand beim Jahrestreffen der Initiative „Welcome In“ Fulda im November letzten Jahres. Die rein ehrenamtliche Initiative setzt sich seit 2009 für die Belange von geflüchteten Menschen im Landkreis Fulda ein, gibt Deutschkurse, organisiert Freizeitveranstaltungen, betreibt Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr (alle Informationen auf www.welcome-in.org). Was viele der etwa 150 Welcome-In-Aktiven seit Langem beobachten: Die meisten Asylsuchenden und auch bereits anerkannte Flüchtlinge leben isoliert von der Fuldaer Bevölkerung in großen Gemeinschaftsunterkünften. Deshalb fällt es vielen sehr schwer, die Sprache zu lernen, Jobs oder Wohnungen zu finden, geschweige denn soziale Kontakte mit Menschen aus der Region zu knüpfen. Das führt zu viel Ernüchterung und Frust. Andererseits scheinen in einigen Teilen der Fuldaer Bevölkerung pauschale Vorurteile gegenüber „den Flüchtlingen“ zu kursieren. So mancher Kommentar in sozialen Netzwerken, die Aktivitäten der rechten Szene im Landkreis und die jüngsten Ergebnisse der Lokalwahlen – vieles deutet auf ein beständig wachsendes Konfliktpotenzial im Landkreis hin. Beim Brainstorming auf der Jahresversammlung kam deshalb die drängende Frage auf: „Was können wir dagegen tun?“

Auf diese Frage hin entstand im Laufe der letzten sieben Monate in mühevoller, ehrenamtlicher Arbeit ein vielschichtiges Projektkonzept, in dessen Zentrum die Einrichtung des „Wohnzimmers“ steht. „Wie sieht wohl ein Wohnzimmer in Eritrea aus? Oder in Syrien, Afghanistan oder im Irak?“, fragten sich die Aktiven der Gruppe. Die etwa 4.500 geflüchteten Menschen, die derzeit im Landkreis Fulda leben, bringen Wissen, eine vielfältige kulturelle Erfahrungswelt und häufig eine riesige Motivation mit, sich hier ein neues Leben aufzubauen. Man könnte an diese positiven Voraussetzungen anknüpfen und die Menschen tatsächlich willkommen heißen. Stattdessen wird durch strukturelle Diskriminierung (Stichworte: Residenzpflicht, Vorrangprüfung, u.v.m.) und durch höchst problematische Unterbringungsformen dazu beigetragen, dass viele Geflüchtete beständig in die Rolle der Hilfesuchenden gedrängt werden und damit soziale Ausgrenzung erfahren.

Welcome In - Wohnzimmer

Welcome In – Wohnzimmer

Im „Wohnzimmer“ nun sollen interessierte Geflüchtete die Möglichkeit bekommen, aus der beständigen Opfer- in eine aktive Rolle zu schlüpfen und ihren Erfahrungsschatz in einem praktischen Umfeld zum Ausdruck zu bringen. Nach der Einrichtung könnte der Spieß dann einmal herumgedreht werden – und Asylsuchende könnten Menschen aus Fulda „bei sich“ willkommen heißen.

Auf der anderen Seite hätten „Einheimische“ die Chance, Menschen mit Fluchterfahrung in einer entspannten und unkommerziellen Umgebung kennenzulernen, und eben mit einzelnen Menschen und nicht pauschal über „die Flüchtlinge“ zu reden. Damit könnten viele der grassierenden Vorurteile und Ängste auf beiden Seiten ausgeräumt werden.

Doch das Projekt will nicht nur diese Zielgruppen ansprechen. Ganz generell ist es der Ansatz der Gruppe, Menschen, die in verschiedenen sozialen Blasen nebeneinander her leben, im künftigen „Wohnzimmer“ zueinander zu bringen. Ehrenamtliche verschiedener Initiativen, Studierende, Angestellte aus Behörden, Vertreter*innen aus der Wirtschaft, usw. – alle sollen im Begegnungsraum willkommen sein und die Chance haben, miteinander ins Gespräch zu kommen. Auch viele der ehrenamtlichen Projekte von Welcome In sollen künftig im „Wohnzimmer“ stattfinden. Damit würde zum einen die Privatsphäre von Asylsuchenden in den Unterkünften gewahrt und zum anderen auch eine breitere Öffentlichkeit für das Ehrenamt erreicht.

Auf dem Weg zur Realisierung hat die Planungsgruppe bereits einige Erfolge feiern können. So wurde von der evangelischen Lutherkirche auf Initiative von Pfarrer Matti Fischer eine, zunächst auf ein Jahr befristete, halbe Stelle für die Projektkoordination eingerichtet, die der Autor dieses Artikels seit April ausübt. Die Gruppe hat bereits über 16.000€ an Geld- und Sachspenden erhalten und hat ein umfangreiches Konzept mit Finanzplan erarbeitet, welches auf der eigenen Website www.wohnzimmer-fulda.de eingesehen werden kann. Durch viel Öffentlichkeitsarbeit der Aktiven hat sich das „Wohnzimmer“ bereits vor seinem Existieren einen Namen in Fulda machen können.  Das Projekt wird von über 30 Fördermitgliedern und kooperierenden Initiativen mit monatlichen Zuschüssen unterstützt, womit langsam aber sicher eine finanzielle Basis entsteht, die die Anmietung von Räumlichkeiten erlaubt.

Doch hier stellt sich den Ehrenamtlichen ein zentrales Problem. Um möglichst viele Menschen und auch Laufkundschaft zu erreichen suchen sie nach Räumlichkeiten in möglichst zentraler Innenstadtlage. Trotz zahlreicher Leerstände wurden sie bisher jedoch nicht fündig, da entweder zu hohe Mieten verlangt wurden, oder aber die jeweiligen Vermieter*innen das Non-Profit-Projekt ablehnten.

Deshalb bittet die Wohnzimmer-Planungsgruppe um Unterstützung aus der Fuldaer Zivilgesellschaft. Wer sich aktiv an der weiteren Planung beteiligen möchte, Tipps für mögliche Räumlichkeiten, Kooperationsanfragen, sonstige Hinweise oder Fragen an die Initiative hat, kann sich per E-Mail an info@wohnzimmer-fulda.de direkt an die Gruppe wenden. Viele weitere Informationen über das Projekt und über die Fördermitgliedschaft finden sich auf der Wohnzimmer-Website. Auch Einzelspenden helfen enorm, das „Wohnzimmer“ zu realisieren. (Spendenkonto: Welcome In Wohnzimmer, IBAN:  DE52 5306 0180 0100 6197 44, VR-Bank Fulda)

Neugierde ist ein viel besserer Ratgeber als Angst. Alle Neugierigen sind herzlich eingeladen, an diesem einzigartigen Projekt teilzuhaben.

Das Welcome In - Wohnzimmer

Das Welcome In – Wohnzimmer