NABU zur Kommunalwahl 2021

 

Der NABU-Kreisverband Fulda ist gefragt worden, welche Erwartungen er zu den nächsten Kommunalwahlen hat, was er von Personen und Parteien fordert.

Das Umweltbundesamt stellt fest, das für zwei Drittel der Bevölkerung der Umweltschutz eine grundlegende Bedingung darstellt, um Zukunftsaufgaben zu bewältigen. Herausragende Themen sind Klimaschutz und Artenvielfalt, eingebunden in einen grundlegenden Wandel zur Nachhaltigkeit. Das hängt vor Ort sowohl von den Parteien, als auch oft von den Kandidaten persönlich ab. Die Kommunalwahlen sind ein Anlass für Fragen und Anregungen zur nachhaltigen Entwicklung in unserer Region.

Der NABU ist in Deutschland, in Hessen und auch in Stadt und Kreis Fulda der größte Umwelt- und Naturschutzverband. Seine besondere Stärke ist die Präsenz vor Ort durch die Basisarbeit aktiver Mitglieder. Der NABU ist über alle Arbeitsebenen demokratisch organisiert, jedes NABU-Mitglied kann mitentscheiden, welche Ideen sich durchsetzen und wohin sich der Verband entwickelt. Der NABU ist Lobby für Umwelt- und Naturschutz.

Kommunalpolitik muss einen Beitrag vor Ort zum Klimaschutz leisten.

Die Energiewende ist notwendig, soll vor Ort in Bürgerhand liegen und naturnah ausgestaltet werden. Für Windkraftanlagen gibt es selten konfliktfreie Standorte. Auch die in der Regionalplanung als Vorrangflächen gefundenen Standorte müssen im Einzelfall geprüft werden und es sind Kompromisse zwischen dieser wichtigen erneuerbaren Energie und der Sicherung von biologischer Vielfalt zu finden. Wir erwarten Konzepte und Strategien, mit denen Bürger bei der Umsetzung von Windkraftanlagen, Solaranlagen in der Fläche und Stromnetzen beteiligt werden. Die Wertschöpfung muss in der Region bleiben. Der kommunale Klimaschutz muss mit Energiesparprogrammen, Kampagnen zur Wärmedämmung von Gebäuden sowie Solarenergie optimiert werden. Auch die im ländlichen Raum besonders schwierige Aufgabe einer Verkehrswende gehört in ein regionales Klimaschutzkonzept.

Kommunale Politik muss auch in unserer Region den Landschaftsverbrauch eindämmen.

Der Landfraß von über 3,6 Hektar (das sind rund 5 Fußballfelder!) pro Tag in Hessen ist viel zu groß. Bislang geht der Flächenverbrauch in Stadt und Landkreis Fulda unaufhaltsam weiter. Wohn-, Gewerbe und Industriegebiete werden neu erschlossen. Aktuelle Beispiele sind die Gewerbegebiete in Flieden, Neuhof und Michelsrombach mit gewaltigen Veränderungen der Landschaft. Die Kommunalpolitik hat Planungshoheit, ist damit für diese Entwicklungen verantwortlich und muss flächensparende Konzepte entwickeln. Die Innenverdichtung in Gewerbe- und Wohngebieten muss Priorität haben. Landverbrauch geht mit Lichtverschmutzung einher. Die Vermeidung und Reduzierung von unnötigen Lichtquellen zum Schutz der Nacht dient dem Wohlbefinden der Menschen, der Umwelt und den nachtaktiven Lebewesen. Für nachhaltige Beleuchtung im öffentlichen und im privaten Raum gibt es praktikable Konzepte. Von kommunaler Politik erwarten wir, alle Möglichkeiten zu nutzen, diese anzuwenden.

Auch im Siedlungsraum kann ein Beitrag zur biologischen Vielfalt geleistet werden. Bei öffentlichen Flächen muss das beispielhaft erfolgen. Unter anderem gehören dazu der Verzicht auf Gifteinsatz, die Pflanzung heimischer Blumen, die Anlage und Pflege von Blühwiesen, das Liegenlassen von Laub auf Beeten und Einrichten von „wilden Ecken“. Durch Baumschutzsatzungen und Pflegepläne müssen sich Städte und Gemeinden dauerhaft selbst in die Pflicht nehmen. Für grüne, insektenfreundliche Flächen können auch Bürger-Wettbewerbe ausgeschrieben werden. Dazu gibt es gute Beispiele.

Der Artenschwund findet gravierend in der Landwirtschaft statt.

Die Kommunalpolitik in Städten und Gemeinden ist in der Pflicht, dass Wegränder in kommunalem Eigentum erhalten bleiben und nicht unter den Pflug geraten. Auch der Umbruch von Graswegen zu Äckern ist zu unterbinden. Auf den gemeindeeigenen Grünflächen soll die Mahd zum Schutz von Tieren und Pflanzen in Staffelmahd oder erst später im Jahr erfolgen. Kommunen müssen Konzepte zur Biotopvernetzung erstellen und umsetzen. Pachtverträge für kommunale Flächen mit Landwirten sind naturverträglich auszugestalten, hierfür gibt es Beispiele und Beratungsangebote. Kommunale Flächen sollten glyphosat- und gentechnikfrei bewirtschaftet werden. Der Natur- und Artenschutz muss in der gesamten Fläche wirken. Blühstreifen an Acker- und Wegerändern und fachlich richtig gepflegte Heckenzüge sind ein zusätzlicher Beitrag zur Biotopvernetzung.

Die Genehmigung von Ställen für industrielle Massentierhaltung ist restriktiv zu handhaben, dazu sind die Mittel der Bauleitplanung und der Genehmigungen zum Immissionsschutz von den Kommunen auszuschöpfen.

Der Wald stirbt in großem Ausmaß.

Kommunaler Wald ist Bürgerwald. Den Bürgerinnen und Bürgern muss die Möglichkeit gegeben werden, alle nötigen Informationen zum Bestand und zur Planung im Bürgerwald zu erhalten. Das heißt, die Daten der Forstplanungen müssen transparent gemacht werden; interessierte und sachkundige Bürgerinnen und Bürgern müssen Gelegenheit bekommen, an der Zukunft des Waldes mitzuwirken.

Für den Staatswald gibt es eine Richtlinie für die Bewirtschaftung. Darin bekennt sich das Land Hessen zu einer besonderen Verantwortung für die Biodiversität im Staatswald. Biodiversität, der Klimaschutz und weitere Schutzziele genießen Vorrang vor den Nutz- und Erholungszielen. Der Laubwaldanteil soll zu Lasten des Nadelwaldes erhöht werden. Für den Landesbetrieb Hessen-Forst gibt es dafür seit 2010 eine Naturschutz-Leitlinie. Für den Kommunal- und Privatwald fehlen bisher vergleichbare Regelungen. Hier ist die Kommunalpolitik gefordert, eine biodiverse und naturschutzgerechte Waldentwicklung einzuleiten. Einzelne „Habitatbäume“ reichen dazu nicht. Alle kommunalen Wälder sollen mit einem Öko-Siegel wie FSC (Forest Stewardship Council) oder Naturland zertifiziert werden. Zusätzlich müssen auch und gerade unter Bedingungen des Klimawandels Ersatz- und Neubewaldungen stattfinden.

Jede Kommune muss prüfen, inwieweit sie einen Beitrag zu großen Waldschutzgebieten leisten kann, die unverzichtbar für die Lebensraum-Kontinuität sind. Nur durch große zusammenhängende Naturwälder können waldtypische empfindliche Arten überleben.

Gewässer und Grundwasser gehören zu unseren unverzichtbaren Lebensgrundlagen und sind durch den Klimawandel besonderem Stress ausgesetzt.

Die Wasservorräte werden knapp. In den Kommunen bedarf es eines sparsamen Wassermanagements. Kommunale Politik muss auf seinen Flächen vorbildliche Konzepte realisieren und gleichzeitig glaubwürdig auf die privaten und privatwirtschaftlichen Verbraucher einwirken. Die Renaturierung von Fließgewässern spielt eine große Rolle beim Wassermanagement und bei der Sicherung der biologischen Vielfalt. Städte und Gemeinden sind aufgefordert, die europäische Wasserrahmenrichtline konsequent umzusetzen. Dazu gehören Gewässer-Entwicklungsstreifen, die den Bächen und Flüssen mehr freien Lauf lassen. Unverbaute Auen helfen beim Schutz vor Hochwasser. Darüber hinaus müssen Teiche, Tümpel und feuchte Senken in der Landschaft als Lebensräume für Amphibien, Wasservögel und Libellen erhalten bleiben. Überall dort, wo Veränderungen stattfinden, bei denen Umwelt und Natur beeinträchtigt werden, sind naturschutz- und baurechtlich sogenannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgeschrieben. Mit diesen soll der verursachte Schaden gemindert und durch ökologisch positive Handlungen kompensiert werden. Hier herrscht ein eklatantes Vollzugsdefizit. Von der politischen Verantwortung in der kommunalen Selbstverwaltung wird erwartet, alle Kompensationsmaßnahmen fachgerecht und nachprüfbar umzusetzen.

Kommunale Politik muss in unmittelbarem Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern stattfinden.

Viele von ihnen sind in Umwelt- und Naturschutzverbänden organisiert, die als wichtiger Kooperationspartner von Kommunalpolitik und Verwaltung genutzt werden sollen. Darüber hinaus muss allen Bürgerinnen und Bürgern permanent die Möglichkeit gegeben werden, eine nachhaltige Entwicklung ihres unmittelbaren Lebensraumes mitzugestalten.

Eine grundlegende Voraussetzung dafür schaffen Bildungs- und Beratungsangebote. Regionale Zentren für Nachhaltigkeit sind dazu wesentliche Institute, die es zu stützen gilt. Die Bildung für Nachhaltigkeit muss aber auch an allen anderen kommunal orientierten Bildungsorten – z.B. in Kindertagesstätten, Schulen, Jugendzentren und Volkshochschulen – die Voraussetzungen schaffen, dass nachhaltige Entwicklung in den Kommunen stattfinden kann.

Von Kommunalpolitik und -verwaltung wird erwartet, dass sie beispielgebend sind und aus ihrem Wirkungsbereich heraus die Bürgerinnen und Bürger unterstützen, einen nachhaltigen Lebensstil zu führen. Hierzu gibt es zahlreiche Ideen und gute Beispiele. Parteien und Personen, die kommunale Verant- wortung übernehmen wollen, sollen sich mit einer Agenda der Nachhaltigkeit und einer klaren Ausrichtung auf den Umwelt- und Naturschutz zur Wahl stellen. Diese politische Agenda lässt sich am besten im Dialog erreichen, mit allen Menschen vor Ort, mit Vereinen, Verbänden, Initiativen und Institutionen, welche die Ziele der nachhaltigen Entwicklung unterstützen.