Warum in die Ferne schweifen …

2014 erhielt die Gemeinde Grüsselbach die Auszeichnung „Bioenergiedorf“ – Ein Gastbeitrag von Marie und Christoph Pralle

Grüsselbach? Grüsselbach, wo ist das denn? Immerhin, der Dalai Lama war da und auch Gorbatschow, Bush und viele Bundespräsidenten sind durch Grüsselbach in der Gemeinde Rasdorf in Osthessen gekommen. Das Dorf feiert dieses Jahr 1200jähriges Bestehen.

Foto: Wolfgang Hautumm

Foto: Agora Fulda

Grüsselbach liegt an der uralten Handelsstraße Antsanvia, die von Frankfurt über Leipzig in den Osten führte, an der heutigen B 84, an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, im Fulda Gap, neben Point Alpha. Das malerische Dorf hat eine facettenreiche Geschichte und eine Fülle von Besonderheiten, so z. B. den aktivsten Karnevalsverein Deutschlands. Bedeutende Persönlichkeiten stammen aus Grüsselbach, u.a. Prof. Dr. Dr. Gregor Richter, jahrelang Herausgeber der Fuldaer Geschichtsblätter, oder Prof. Dr. Dr. Amand Reuter, lange Jahre päpstlicher Berater in Rom, oder Prof. Dr. Dr. Ludwig Pralle, Päpstlicher Ehrenprälat und viele Jahre Geheimsekretär des Fuldaer Bischofs und Baureferent der Diözese.

Vor ein paar Jahren haben die Grüsselbacher ein weiteres innovatives Projekt in die eigenen Hände genommen und die Grüsselbacher Nahwärme-Genossenschaft und die Biogas-Grüsselbach GmbH gegründet.

Wegen der hohen Ölpreise des Jahres 2008 entwickelten einige Bewohner Grüsselbachs die Vision einer gemeinsamen Heizungsanlage. Man dachte an eine zentrale mit Holzhackschnitzeln betriebene Heizung und die Versorgung der Haushalte durch ein Nahwärmenetz. Ziel sollte es sein, von fossilen Energieträgern, die teils aus politisch instabilen Regionen stammen, unabhängig zu werden. Schon bei den ersten Bürgerversammlungen und Fachvorträgen, an denen zahlreiche Bürger teilnahmen, zeigte sich, dass das Konzept einer Hackschnitzelheizung gut ankam. Nachdem eine Interessengemeinschaft von 19 Haushalten entstanden war, wurde nach geeigneten Standorten für das Heizhaus gesucht. Später wurde die anfängliche Planung noch durch die Idee von vier Landwirten ergänzt, in Kombination mit dieser Heizung eine Biogasanlage zur Energiegewinnung zu betreiben. Die Anlage ist seit 2011/12 erfolgreich in Betrieb. Zur Hackschnitzelanlage gehört ein 100m2 großes Heizhaus. Zwei ETA Festbrennstoffkessel mit jeweils 200 kW Leistung heizen das Wasser der Anlage auf und speisen es in die Puffer ein. Zwei Umwälzpumpen mit je 7,5 kW Leistung pumpen das warme Wasser dann aus den drei Pufferspeicher mit je 9500l Fassungsvermögen in das 1938m lange Rohrnetz zu den Verbrauchern. Sechs Ausdehnungsgefäße mit je 1000l Volumen sind notwendig, um die Volumenschwankungen des Wassers zu kompensieren. Auf dem Dach des Heizhauses befindet sich noch eine 49,44 kWp Fotovoltaikanlage, die Strom in das öffentliche Netz einspeist. Die Kosten für die Heizanlage betrugen 820.000 Euro, von denen 348.000 Euro bezuschusst wurden. In der Heizperiode 2012/13 wurden ca. 282m3 Hackschnitzel verbraucht, das entspricht ungefähr 21.000l Heizöl. 2015 waren 39 Haushalte einschließlich Dorfgemeinschaftshaus und Kirche angeschlossen.

Die Biogasanlage besteht aus mehreren Komponenten. Die Vorgrube dient als Sammelstelle für Rindergülle, die dann kontinuierlich dem Fermenter zugeführt wird. In dem Fermenter mit Gasspeicher findet die Vergärung der Biostoffe statt. Die Beschickung der Biogasanlage erfolgt mit 40% Gülle der örtlichen Landwirte und 60% Silage, die wiederum besteht zu max. 2/3 aus Mais und 1/3 aus Ganzpflanzensilage (Getreide); dies wurde im Genehmigungsverfahren so festgelegt. Ein Feststoffdosierer führt die Biostoffe dem Fermenter zu. Das Substrat wird auf 35 – 55° C erwärmt, um die Gärung zu beschleunigen. Bei der Vergärung werden die organischen Substrate durch Mikroorganismen zersetzt. Dabei entstehen Methan und CO2. Im Pump- und Steuerhaus wird dieser Prozess gesteuert und überwacht. Im Blockheizkraftwerk wird das Methangas in einem Gasmotor verbrannt. Der wassergekühlte Gasmotor treibt einen Generator zur Stromerzeugung an. Das Kühlwasser wird sowohl zum Erwärmen des Substrats als auch zur Aufheizung des Wassers des Nahwärmenetzes genutzt. Die vergorene Biomasse wird schließlich aus dem Fermenter in das Gär-Restelager mit Gasspeicher abgeleitet und kann dann zur Düngung auf die Felder aufgebracht werden. Zu der Biogasanlage gehört auch noch eine Siloanlage, um stets genug Vorrat an Biostoffen zur Verfügung zu haben.

Foto: Agora Fulda

Foto: Agora Fulda

Die Biogasanlage in Grüsselbach hat eine Leistung von 496 KWh. Davon sind 191 Kilowatt elektrisch und der Rest thermisch. Das sind im Jahr rund 1,6 Millionen kWh Strom und rund 1,9 Millionen kWh Wärme. Das entspricht ca. 400.000 Liter Heizöl. Jährlich werden dazu etwa 2400m3 Rindergülle und rund 3600t Mais und Ganzpflanzensilage vergoren. Die Biogasanlage erzeugt den Hauptteil der von der Heizungsanlage benötigten Wärme. Nur während der kalten Monate von November bis März laufen die Hackschnitzelkessel sporadisch zur Abdeckung der Spitzenlast.

Die Hackschnitzelanlage ist seit 2011 in Betrieb und wird als eingetragene Genossenschaft geführt. 2014 waren Frank Gollbach, Christoph Pralle und Thomas Engelbrecht im Vorstand tätig. Der Auf- sichtsrat wird durch Doris Walk, Jürgen Hahn und Günther Antonoff gestellt.

Die Biogasbetreiber haben als Rechtsform eine GmbH gewählt. Gesellschafter sind Hermann Hahn jun., Berthold Schreiber, Volker Walk und Thomas Heller aus Soisdorf. Der Betrieb läuft seit 2012. 2014 erhielt die Gemeinde Grüsselbach durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Auszeichnung ‚Bioenergiedorf‘.