Thema: Genmais 1507

Thema: Genmais 1507

Diskussion um Genmais 1507

von Dr. Peter Hamel (Zivilcourage Vogelsberg)

Die von dem Biotech-Konzern Dupont Pioneer entwickelte Genmais-Sorte 1507 bewegt auch in Rhön und Vogelsberg weiter die öffentliche Diskussion. Trotz teilweise massiver Vorbehalte in vielen Mitgliedsstaaten hatten die zuständigen EU-Minister die Zulassung nicht gestoppt, die Bundesrepublik hatte sich bei der Abstimmung enthalten. Nachdem die Reaktion der heimischen Bundes- und Landtagsabgeordneten vorliegt, gibt es weitere Stellungnahmen. So von Dr. Peter Hamel, Landwirt aus Storndorf und Mitbegründer der „Zivilcourage Vogelsberg“.

Hamel zufolge würde die Zulassung von Genmais 1507 den Bürgerwillen auf den Kopf stellen, die Demokratie bliebe auf der Strecke. 80 Prozent der Deutschen, so eine aktuelle Umfrage der Bundesregierung, lehne die so genannte Agro-Gentechnik ab. Der Koalitionsvertrag schreibe in diesem Punkt ganz klar, dass die Ängste der Bevölkerung berücksichtigt werden müssten. Die SPD habe sich bei ihrem Parteitag eindeutig gegen Agro-Gentechnik positioniert, auch die CSU lehne diese ab. Deutschland enthalte sich und stimme damit faktisch für den Genmais. Denn somit entscheide allein die von der Wirtschaft eingesetzte und gelenkte EU-Kommission. Und das, obwohl 19 EU-Staaten gegen den Genmais 1507 gestimmt hätten, fünf dafür seien und vier sich enthalten hätten. Wie jüngere Untersuchungen in Brasilien zeigten, gebe es bereits zwei Jahre nach Einführung von 1507 massive Resistenzen von Maiszünslern gegen das von der Pflanze produzierte Gift. Die Natur schlage eben viel schneller zurück, als das gewinnorientierte Wissenschaftler der Agroindustrie wahrhaben wollen. Die Side-Effekte sind bei Genpflanzen eben doch extrem groß und unvorhersehbar. Schließlich habe die Natur Jahrmillionen für eine gelungene Evolution gebraucht. Machthungrige Konzerne sollten nicht glauben, dass sie die Natur in 20 Jahren völlig zur scheinbaren Idealwelt umkrempeln könnten. Im Moment scheint genau das Gegenteil eher wahrscheinlich. Eine extrem hohe Gefahr wird nach meiner Meinung heraufbeschworen, in dem nur noch wenige Sorten weltweit angebaut werden sollen. Tritt dann eine Krankheit gegen eine solche Sorte ein, sind enorme Folgen für Mensch und Tier an der Tagesordnung.

 

EU-Verdrossenheit

Hamel: „Ist das Demokratie? Wundert es noch jemanden, wenn dadurch die Bürger EU-verdrossen sind?“ Nun kämen erste Zweifel, ob denn die Bewertung der EFSA (der europäischen Sicherheitsbehörde für Lebensmittel) zum Genmais 1507 umfassend und objektiv gewesen sei, oder ob sie vielleicht doch zu voreilig nur die geschönten Studien der Antragsteller als Grundlage ihrer Stellungnahme herangezogen habe. Denn viel zu groß seien die Streuungen des Giftgehaltes in den einzelnen Pflanzen. Diese ungenaue Vorhersagbarkeit hätte ganz klar und konsequenterweise zu einer klaren Ablehnung führen müssen. In den USA seien seit Einführung von Genmais die Erkrankungen an Reizmagen-Syndrom um über 300 Prozent angestiegen.

Dr. Peter Hamel sagte abschließend: „Die Nagelprobe für uns in Hessen wird die Positionierung der neuen Landesregierung sein, die sich ja klar gegen Gentechnik-Anbau ausgesprochen hat. Für uns Bürger gibt die Europawahl die Chance, darauf zu reagieren. Wollen wir, begünstigt durch ein hinter verschlossenen Türen geheim ausgehandeltes Freihandelsabkommen mit den USA, den Einzug von Hormonfleisch, nicht deklarierte Gentechnik und Chlor-Hähnchen oder wollen wir das verhindern? Wir sollten peinlichst darauf achten, welche Partei dieses Freihandelsabkommen will und welche nicht“.

 


 

1507 Sprechblasen

Wie der Genmais in die EU kam

Wie der Genmais in die EU kam

Die AGORA fragte vier Bundestagsabgeordnete unserer Region –
lesen Sie weiter unten die Stellungnahmen auf dieser Seite.

Im Februar 2014 fand eine denkwürdige Abstimmung im Deutschen Bundestag statt. Aufgrund eines Antrages der Fraktion Bündnis90/Die Grünen sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, bei einer Abstimmung der EU in Brüssel zur Zulassung der umstrittenen Genmaissorte Pioneer 1507 mit „Nein“ zu stimmen. Zwar lehnten 19 der 28 Mitgliedsstaaten die Zulassung ab, für eine Blockade wäre jedoch eine qualifizierende Mehrheit nötig gewesen. Und das deutsche Votum wäre eine wichtige Stimme gewesen, um die qualifizierte Mehrheit im Ministerrat der EU-Staaten für die Ablehnung der Zulassung zu erreichen.

 

Eine Enthaltung, die keine Enthaltung ist

Jedoch stimmten lediglich die Abgeordneten der Oppositionsfraktionen Bündnis90/Die Grünen und Die Linke sowie ein Abgeordneter der CSU und 4 Abgeordnete der CDU für den Antrag. Alle anderen Abgeordneten der Fraktion der CDU sowie die komplette SPD-Fraktion lehnten mit den Stimmen ihrer Mehrheit den Antrag ab. Als direkte Folge dieser Abstimmung votierte die Bundesrepublik bei der entscheidenden Abstimmung in Brüssel einige Tage später nicht gegen die Zulassung, sondern sie enthielt sich Ihrer Stimme, was faktisch dazu führte, dass die Ablehnung der Genmaiszulassung keine Mehrheit bei den EU-Staaten fand und somit nun die Genmaissorte 1507 von Pioneer Dupont Europe in der EU für den Anbau zugelassen werden wird. Die  Agora-Redaktion will es genau wissen: Wir fragten bei unseren Abgeordneten der vier im Bundestag vertretenen Fraktionen nach und erhielt die folgenden Stellungnahmen, die wir nachfolgend zur interessierten Lektüre auf der folgenden Seite veröffentlichen.

 

 Wir arbeiten an einer Ablehnung.

Birgit Kömpel (MdB)

Birgit Kömpel (MdB)

Die SPD hat bei den Koalitionsverhandlungen auf eine klare Linie im Umgang mit Grüner Gentechnik gepocht. Die Unionsfraktionen waren jedoch leider nur bereit, folgende Aussage mitzutragen: „Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.“

Auf europäischer Ebene wird über die Zulassung der Maislinie 1507 debattiert. Das Abstimmungsverhalten Deutschlands wurde im Kabinett entschieden. Die SPD-geführten Ressorts und das CSU-geführte Ressort Landwirtschaftsministerium sprachen sich gegen eine Zulassung aus. Die beiden mitentscheidenden Ministerien der Gesundheit und Forschung (beide unionsgeführt) wollten der Zulassung zustimmen. Diese uneinheitliche Meinung innerhalb der Bundesregierung und die zustimmende Haltung des Bundeskanzleramtes führten dazu, dass die Bundesregierung sich im Rahmen der Abstimmung in Brüssel enthielt.

Es gehört zur parlamentarischen Zusammenarbeit innerhalb einer Koalition, dass Anträge, Gesetzentwürfe sowie weitere politische Positionen gemeinsam entwickelt und nach außen dokumentiert werden. Daran ist die SPD-Bundestagsfraktion gebunden, an diese Absprache muss auch ich mich halten. Ich persönlich bin gegen den Anbau von Genmais.

Im Hintergrund arbeiten wir daran, dass die Bundesregierung ihre momentane Enthaltung in eine Ablehnung des Zulassungsantrages ändert. Wir berufen uns dabei auf den vereinbarten Koalitionsvertrag und die Mehrheit der deutschen und europäischen Bürgerinnen und Bürger.

Mir ist klar, dass die uneinheitliche Haltung der Bundesregierung in der Frage der Zulassung der Genmaissorte 1507 für den Anbau in der EU für viele Kolleginnen und Kollegen unbefriedigend ist. Unsere Argumente für ein Verbot des Anbaus von Genmais bleiben nach wie vor auf dem Tisch.

Die Bundesregierung hat hierzu noch keine Position abgestimmt. Unser Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth,  steht mit seinen europäischen Amtskolleginnen und Amtskollegen in dieser Frage ebenfalls in Kontakt.

 

Man sollte die Flinte nicht ins Korn werfen!

Sabine Leidig (MdB)

Sabine Leidig (MdB)

Liebe Leute in Osthessen!

Hessische Wählerinnen und Wähler haben mich in den Bundestag geschickt um ihre Interessen dort zu vertreten und mich für die in unserem Wahlprogramm benannten Punkte einzusetzen. Mir fällt es leicht, besonders im Falle der Unterbindung von Gentechnik dies auch umzusetzen. Es war für mich selbstverständlich, dass ich mich bei der namentlichen Abstimmung im Bundestag eindeutig gegen die Zulassung des Genmais 1507 ausgesprochen habe.

Es ist ein Skandal, dass das Votum Deutschlands den Weg für die Anbau-Zulassung frei gemacht hat, obwohl auch in den Koalitionsfraktionen Widerstand gegen die Agro-Technik vorhanden ist und dies auch im Koalitionsvertrag formuliert ist. Erst im Januar 2014 hat der SPD-Bundesparteitag die Bundesregierung aufgefordert, „die Zulassung neuer gentechnisch veränderter Maispflanzen in der Europäischen Union (EU) zu verhindern.“

Sie haben es nicht verhindert und mit der Zulassung des Gentech-Mais MON 810 und der Amflora-Kartoffel ist dies dann die dritte zum Anbau zugelassene gentechnisch veränderte Kultur in der EU.

Es gab einige Wochen später eine zweite Abstimmung zu Agro-Gentechnik im Bundestag, die die Gefahren der Gentechnik für Imkerei und Honigerzeugung betraf. Auch hier habe ich mich eindeutig verhalten.  Hierzu hatte meine Fraktion auch schon 2012 eine Initiative auf den Weg gebracht (Antrag: Imkerei vor der Agro-Gentechnik schützen).

Auch wenn wir durch unsere Arbeit im Bundestag bisher das Einschwemmen von Gentechnik in die Nahrungsmittelproduktion nicht verhindern konnten: Wir sollten die „Flinte nicht ins Korn werfen“. Nun folgt zwar das „grüne Licht“ für den Anbau des Genmais 1507 auf den Äckern der EU. Aber seit Jahren schon gibt es eine Erlaubnis von 1507-Mais für Lebens- und Futtermittel. Es kommt auf uns alle an, die Landwirte, die gentechnikfreie Futtermittel verwenden, zu unterstützen und Bauern zu motivieren auf den Einsatz der Gentechnik zu verzichten.

Derzeit führt die AG bäuerliche Landwirtschaft bundesweit Infoveranstaltungen über die Gefahren beim geplanten Freihandelsabkommen USA/EU durch. Auch die Debatte um Hormonfleisch, Gen­technik, Klonfleisch gehört da hinein. Es geht um Sonderklagerechte für Konzerne, Transparenz und demokratische Mitbestimmungsrechte. Verhindern wir gemeinsam dieses TTIP Abkommen als weiteres Einfallstor für Agro—Gentechnik!

 

Ein EU-weites Verbot wäre die beste Lösung.

Michael Brand (MdB)

Michael Brand (MdB)

Erstens: ich war und bin Gegner von Gentechnik in Lebensmitteln. Deshalb bin ich auch gegen Anbau von Genmais: es gibt bessere und natürliche Methoden, um Mais vor Schädlingen zu schützen. Zweitens: die Bundesregierung hat bei der EU-Entscheidung zur Zulassung von Genmais 1507 in der EU nicht dafür und nicht dagegen gestimmt – und sich dabei nicht mit Ruhm bekleckert. Eine klare Position wäre notwendig gewesen. Drittens: das Thema eignet sich nicht für politische Spielchen – das hilft der Sache nicht, sondern schadet eher. Das gilt auch für die Grünen im Bundestag: obwohl jüngst die Entscheidung auf EU-Ebene lag, wurde der Bundestag zur Bühne gemacht. Mir war hier zu viel Taktik im Spiel, und zu wenig ernsthaftes Bemühen um eine große Koalition gegen grüne Gentechnik. Im Antrag gab es inakzeptable politische Zutaten. Er sollte keine Mehrheit bekommen, weil man dann ja nicht mehr hätte politisch „draufhauen“ können. Muster-Erklärungen, Email-Kampagnen und andere „Stimmungsmache“ helfen tagesaktuell vielleicht der Partei, nicht aber auf Dauer der Sache. Ein EU-weites Verbot wäre die beste Lösung, wenn auch manche EU-Länder dies anders sehen. Der Bundesrat hat dies zu Recht nochmals gefordert, und will auf EU-Ebene nun eine Regelung, die zumindest national bzw. regional ein solches Verbot „rechtssicher und praktikabel“ ermöglicht. Wer keinen Genmais-Anbau will, muss dies verhindern können – zum Beispiel in Hessen, wo eine überwältigende Mehrheit der Verbraucher und die schwarz- grüne Regierung dies nicht wollen. Mir geht es um eine kluge Koalition, um GVO beim Anbau und in Lebensmitteln zu verhindern. So unterstütze ich auch die Imker in ihrem Kampf gegen Verunreinigung von Honig durch GVO. Ich bin für klare Kennzeichnungspflichten und habe vor Jahren mitgewirkt an Haftungsregelungen, die erfolgreich Grüne Gentechnik verhindert haben. Wir brauchen weiter Forschung, und zwar unabhängig von Konzernen und Interessen. Schaukämpfe wie der beim Antrag der Grünen helfen dem Thema aber wenig.

 

Kein Genmais auf europäischen Äckern.

Tom Koenigs (MdB)

Tom Koenigs (MdB)

Ich habe im Bundestag gegen die Zulassung der Maislinie 1507 gestimmt, weil ich nicht möchte, dass im nächsten Jahr gentechnisch veränderter Mais auf unseren Feldern wächst. Im Bundestag hatten die Grünen einen Antrag eingebracht, der vorsah, die Bundesregierung auf ein Nein zum Genmais zu verpflichten. Leider haben nur fünf Unions- Abgeordnete, davon einer von der CSU, für unseren Antrag gestimmt. Die SPD und der Rest der Unionsabgeordneten haben mit ihrer großen Mehrheit unseren Antrag niedergestimmt – obwohl die SPD sich in ihrem Wahlprogramm klar gentechnikkritisch geäußert hatte und die CSU keine Gelegenheit auslässt, sich öffentlich gegen die Gentechnik auf dem Acker auszusprechen.

Bundeskanzlerin Merkel und ihre Regierung haben gegen den klaren Willen der breiten Bevölkerungsmehrheit gehandelt. Laut einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung wollen 88 Prozent der Deutschen keine Agrogentechnik auf Acker oder Teller. Auch das Europäische Parlament, die meisten Agrarminister der Bundesländer, der Deutsche Bauernverband und die Umweltverbände haben sich gegen die Zulassung ausgesprochen.

Die Genmais-Zulassung ist unverantwortlich. Es gibt genug wissenschaftliche Hinweise auf die Gefahren für Umwelt und Gesundheit und wesentliche Risiken sind bislang nur unzureichend untersucht worden. Der Genmais 1507 produziert in allen Pflanzenteilen ein Gift, das vor allem gegen Schmetterlings- und Mottenarten wie den Maiszünsler wirkt. Studien belegen, dass dieser Mais 350-mal giftiger ist als der Genmais MON810, dessen Anbau aufgrund genau solcher Risiken für die Umwelt in Deutschland verboten ist. Entsprechend ihrer Ankündigung hat sich die Bundesregierung bei der entscheidenden Abstimmung in Brüssel enthalten. Diese Enthaltung wirkte aber de facto wie ein „Ja“. 19 von 28 Ländern haben gegen die Zulassung gestimmt. Nur 50 Stimmen haben zu einer Ablehnung gefehlt, davon 29 aus Deutschland.

Klar ist: Genmais wird nicht an Landesgrenzen haltmachen, denn bei Transporten gibt es immer wieder Verluste und Maispollen können sie mittels Wind und Bienen überqueren. Daher fordern wir Grüne von der Bundesregierung, jetzt alle politischen und juristischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Zulassung auf EU-Ebene doch noch zu stoppen. Kein Genmais auf den Äckern und unseren Tellern!