Einmal Fulda – Samsø
Die dänische Insel wirbt mit ihrem ökologischen Bewusstsein und ist weitgehend energieunabhängig.
Søren Hermansen ist maßgeblich beteiligt an der Entwicklung von Samsø als europäische Modellregion für erneuerbare Energien. Er ist Mitbegründer der Energy Academy auf der Insel. 2008 wurde er vom Time Magazine als Hero of the Year gekürt. Seit 2009 ist Søren Träger des Gothenburg Awards, dem Nobelpreis für Umwelt. AGORA sprach mit Søren per Videokonferenz.
AGORA: Søren, du arbeitest seit mehr als 15 Jahren maßgeblich an der Entwicklung auf eurer Insel Samsø. Euer Projekt gilt weltweit als ein Leuchtturm für die Energiewende. Warum, glaubst du, wart und seid ihr so erfolgreich?
Søren: Wir haben von Beginn an das Projekt aus den Händen der Hippies genommen und den Leuten vor Ort den Nutzen für sie selbst und für die Insel aufgezeigt.
A.: Kannst du das noch etwas genauer erörtern?
S.: Naja, als wir anfingen, bei unseren Mitmenschen auf Samsø für das Projekt zu werben, haben wir ganz deutlich gesagt, dass es nicht darum geht, den Eisbären zu retten. Sondern wir sagten, wenn du und ich auf erneuerbare Energien setzen, retten wir Samsø. Wir schaffen gemeinsam Arbeitsplätze für die Zukunft, sorgen dafür, dass das Geld für Energie hier bleibt, so also die lokale Wirtschaft gestärkt wird. Und wir kamen dann gemeinsam zu der Überzeugung, dass es besser ist, den eigenen Energiebedarf selbst zu kontrollieren. Und das geht mit erneuerbaren Energien. Es war also mehr ein praktischer Prozess, so als ob ein Landwirt einen neuen Mähdrescher kaufen soll oder nicht.
A.: Es gab also keinen Widerstand?
S.: Natürlich gab es den. Bei Windkraftanlagen zum Beispiel. Viele Bewohner hatten Angst, dass die An- lagen den Charme unserer Dörfer ruinieren würden. Aber wir konnten sie dadurch überzeugen, indem sie bei der Standortsuche teilhaben konnten und letztendlich auch dadurch, dass sie persönlich finanziell von den Anlagen profitieren.
Und einmal an Bord, wurden die Skeptiker schnell zu Botschaftern des Projektes.
A.: All das klingt nach vielen Treffen und Sitzungen.
S.: (lacht) Oh ja. Ich habe in der Zeit sehr viel Kaffee getrunken. Und einer der Schlüssel zum Erfolg ist in der Tat, die lokalen Netzwerker zu finden, die mit Menschen reden können, Treffen organisieren, Informationsabende und Hausbesuche machen, Festivals feiern, zuhören und andere Ideen miteinander verbinden.
A.: In unserer Region haben wir eine Gruppe von Menschen, die genau das vorhaben, was ihr macht. Sie bringen übrigens auch ähnliche Argumente an. Sie haben jedoch einen schweren Stand. Besonders durch den Wider- stand von einigen Mitbürgern und Teilen der hiesigen Regionalpolitik.
S.: Das klingt für mich etwas bizarr, aber ich kenne die Hintergründe auch nicht. Ist aber übrigens kein Einzelphänomen. Und oft liegt es daran, dass wir den Leuten da oben – in eurem Fall wäre es Berlin, Wiesbaden oder Kassel – nicht mehr vertrauen. Wir sind in einem Kulturwandel und es zeigt sich immer mehr, dass ein Von-Oben-herab-Regieren nicht mehr funktioniert. Dieses fördert nur die alten Strukturen. Und bei der Energiewende geht es um etwas grundlegend Neues. Jede Region bekommt die Macht, ihre Energieversorgung selbst zu organisieren. Es wird lokal. Und dann reden wir von sozialen Prozessen, nicht mehr von Marktregelungen.
Was wir auf Samsø machen, habe ich mal in einer Art Motto beschrieben. Ein alter Spruch hieß: Denke global, handle lokal. Was wir hier auf unserer Insel erfahren ist aber: Denke lokal und handle lokal, alles andere wird sich von selbst ergeben.
A.: Was ergibt sich im Moment auf Samsø und in der Akademie? Was sind die neusten Entwicklungen für euch?
S.: Wir denken seit einiger Zeit darüber nach, wie wir selbst auf der Insel CO2 speichern können. Wir nennen es Biomasse 2.0. Und sind dabei auf etwas gestoßen, was man im Englischen als Rotational Grazing System bezeichnet.
A.: Um was geht es?
S.: Es geht letztendlich um alltägliche Dinge wie Essen, nämlich Landwirtschaft. Auch hier ist
es so, dass wir im Moment keine CO2 Kreisläufe haben, sondern das Gas wird letztendlich einfach in die Luft geblasen.
A.: Weil die Landwirtschaft energieintensiv ist, viel fossile Energie verbraucht, Futter aus fernen Ländern hergeschifft wird etc.?
S.: Ja genau. Wir versuchen nun in Kreisläufen zu denken, was ein Wandel in der Landwirtschaft bedeutet. Und du weißt ja, dass wir davon viel auf Samsø haben. Die Idee dahinter ist, dass wir Ackerland in Wiesen umwandeln, auf denen viele Tiere für kurze Zeit grasen, statt wenige Tiere für einen längeren Zeitraum.
A.: Welche Folgen hat dies?
S.: Erstens wird die Bodenqualität deutlich verbessert. Der Boden enthält nun viel mehr organisches Material als ein Feld, auf dem Getreide angebaut wird. Zweitens spart man CO2 dadurch, dass man den Tieren weniger Futter rankarrt, denn sie stehen ja insgesamt länger und direkt auf ihrem Futter.
Durch die Umwandlung des Ackers zu Grünflächen wird drittens CO2 gespeichert. Bis zu 8 Tonnen pro Hektar und Jahr. 5 Tonnen mehr als bei einem Ackerboden.
A.: Das klingt nicht nur interessant für eure kleine Insel.
S.: In der Tat arbeitet unser Team zusammen mit Jess Jackson viel in den USA. Und auch dort ist es wichtig, wie man an die Farmer herantritt. Die Werte der Leute dort sind vor allem Freiheit und Unabhängigkeit. Und wir fragen sie, wollt ihr unab- hängiger werden von den großen Chemieunternehmen und Ölmultis und langfristig Geld sparen? Dann probiert das mal aus.
A.: Zum Abschluss, hast du einen Rat für unsere Region hier in Osthessen?
S.: Du hast mir ja erzählt, dass es bei euch viel um Windkraft geht. Aber Windkraft ist letztendlich nur ein Instrument. Um was es wirklich geht ist doch die Frage, wo wollt ihr 2020 mit eurer Energieversorgung sein oder besser: mit dem Umgang mit Energie? Wollt ihr warten, bis jemand von Außen die Antworten liefert, oder kommen sie von euch. Ich würde euch raten, diese Antworten gemeinsam zu suchen, die Verantwortung und das Handeln selbst zu übernehmen.
A.: Danke dir, Søren!
Ein paar lesenswerte Links haben wir hier noch versammelt:
http://tiny.cc/samso1