Energiewende in Bürgerhand

Energiewende in Bürgerhand

Lothar Jestädt, Mitglied einer Energiegenossenschaft in Eichenzell, im Interview:

 

Die Energiewende verliert an Fahrt, woran liegt das? 

Die großen Energieversorger starten immer wieder Kampagnen, um die Energiewende auf das Kostenargument zu reduzieren. Doch die Kosten sind eine sehr einseitige Betrachtung, die Energiewende ist viel mehr. Zuerst ist es Klima- und Umweltschutz und dient zur Erhaltung unserer elementaren Lebensgrundlagen, wie saubere Luft, sauberes Wasser und natürlich auch für eine nachhaltige Energieversorgung unabhängig von endlichen fossilen Energieträgern. Es wird auch bei erneuerbaren Energieträgern Eingriffe in die Natur geben, jedoch sind diese viel geringer als bei fossilen Energieträgern.  Man sollte mal die Kosten der fossilen Energiewirtschaft und die Folgen der dadurch verursachten Umweltzerstörung thematisieren. Kosten des Abrisses von Kernkraftwerken, Endlagerung von Atommüll, Kosten für die Pumpen, die im Ruhrgebiet die Kohlestollen vor dem Absaufen schützen müssen. Es ist kein Ende in Sicht. Massive Schäden im Wasserhaushalt ganzer Regionen durch den Abbau von Kraftwerkskohle, großflächige Zerstörung von zum Teil einzigartigen Naturräumen, Vertreibung und Umsiedlung der Bevölkerung in den Abbaugebieten, direkte Gesundheitsschäden durch Kohlestaub und nicht zuletzt den Eintrag großer Mengen Schadstoffe in die Atmosphäre und Anheizen des Klimawandels.

 

Auch in der Region Osthessen hat die RhönEnergie zu kämpfen und schiebt die Schwierigkeiten auf die Energiewende und die Politik! 

Es ist gut nachvollziehbar, dass die vier großen Energieversorger so wenig Marktanteile wie möglich abgeben wollen, aber statt selbst in erneuerbare Energien zu investieren, wird mit viel Lobbyarbeit in Berlin versucht, die Weichen in Richtung altes Geschäftsmodell zu stellen. Nachdem erst ein Ausstieg aus der Kernenergie im Konsens mit den Kraftwerksbetreibern beschlossen wurde, gab es dann wieder eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke die nach dem Super Gau in Fukushima wieder geändert wurde. In 2009 wurde der Verbrauchsvorrang für erneuerbare Energien aufgehoben und die Zwangsvermarktung über die Strombörse eingeführt. Folge ist, dass auch wenn viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, die fossilen Kraftwerke voll weiterlaufen und den Strompreis an der Börse drücken und damit die EEG-Umlage steigt. Über diesen Umweg wird mit der EEG-Umlage Industriestrom subventioniert. Somit kommen Gaskraftwerke, die höhere Grenzkosten haben, nicht mehr zum Zug und schmutzige Kohlekraftwerke dürfen weiter produzieren. Dies betrachten viele unserer Nachbarn argwöhnisch und haben bei der EU ein Verfahren angestoßen, das prüfen soll, ob es sich um unzulässige Beihilfen handelt.

In einem so schnell politisch wechselnden Umfeld die richtigen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen, ist schwierig. Der Strompreis an der Börse konnte nur deshalb so weit fallen, weil der Verbrauchsvorrang für erneuerbare Energien weggefallen ist und damit in den Fahrplänen für die fossilen Kraftwerke keine adäquate Berücksichtigung findet. Solche Gesetzesänderungen kann man als Unternehmer nicht vorhersehen.

 

In der aktuellen regionalen Tageszeitung kommen vor allem die Windkraftgegner zu Wort. Neben bizarren Vorbehalten nennen sie aber auch Umweltschutz als Argument gegen Windkraftanlagen.

Es ist mir auch schon aufgefallen, dass den Windkraftgegnern sehr viel Raum in der FZ eingeräumt wird, während die Bürger, die sich in Genossenschaften organisiert haben, kaum Gehör finden. Dabei gibt es bei den Genossenschaften viel ehrenamtliches Engagement für Umweltschutz, Klimaschutz und die Energiewende. Die Planung für einen Windpark ist sehr aufwendig und nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Dies ist aber auch wichtig, denn es müssen ja alle Belange geprüft werden und sichergestellt werden, dass es zu keinen unzulässigen Beeinträchtigungen kommt. Wer soll das besser beurteilen, als die Bürger vor Ort. Deshalb haben wir uns als Genossenschaft zusammen geschlossen, um ein solches Projekt stemmen zu können und keinen Platz für fremde Investoren zu bieten, deren oberstes Ziel maximale Rendite ist. Wir haben eine Internetseite erstellt, mit der wir die Bürger über das umfangreiche Verfahren zu unserem Windpark informieren. (Anm. d. Red.: www.windpark-eichenzell.de)

 

Bild: Umweltinstitut München

Bild: Umweltinstitut München

 

Aber noch mal detaillierter.  Es heißt, dass man für eine Windkraftanlage eine Fläche von zwei Fußballfeldern für das Fundament benötigt (knapp 1ha Anm. d. Red.).  Auch käme es immer wieder vor, dass besonders Milane von den Rotorblättern erschlagen werden.

Für eine WEA werden ca. 0,4ha Fläche incl. Kranstellplatz benötigt.  Die Gefährdung von bedrohten Arten wird genauestens untersucht, das ist Genehmigungsvoraussetzung. Ebenso müssen die Regeln für Schall und Schattenwurf eingehalten werden, um Anwohner nicht zu belästigen. Wichtig ist, dass die Bürger vor Ort ein Auge darauf haben, damit die bestehenden Regeln eingehalten werden und dies geht sehr gut mit einer Genossenschaft.

 

Macht die Windkraft denn nur für reiche Investoren Sinn?

Über unser Genossenschaftsmodell kann sich jeder Bürger beteiligen. Ein Genossenschaftsanteil kostet 200€, Beitrittsformulare für unsere Genossenschaft gibt es auf der Homepage der Genossenschaft  www.eichenzell-energie.de unter der Rubrik Downloads. Das Schöne an der Genossenschaft ist, dass jedes Mitglied für Abstimmungen in der Hauptversammlung eine Stimme hat, egal ob man einen oder tausend Anteile hat.

 

Was sind denn die Chancen der Windkraft?

Neben einer sauberen Stromerzeugung ist Windenergie auch eine gewaltige wirtschaftliche Förderung für die Region. Im Moment beziehen wir unseren Energiebedarf hauptsächlich von außerhalb. Jede Kilowattstunde, die wir nicht importieren müssen, bedeutet mehr Kaufkraft in der Region. Auch sind schon Arbeitsplätze für die Planung der Windparks entstanden. In Zukunft wird es auch Arbeitsplätze für Betrieb, Wartung und Instandhaltung der Windparks geben. Auch die Genossenschaften müssen sich dann Mitarbeiter einstellen, um Vertrieb und Verwaltung zu organisieren. Somit wird es wieder ein paar Pendler weniger geben und unsere Stromversorgung wird unabhängiger von Energieimporten.