Fridays for Future zur Kommunalwahl 2021
Kommunales Wahlprogramm für die Stadt und den Landkreis Fulda
„Wo siehst du dich in fünf Jahren?“ – „Wie sieht deine Zukunft aus?“ – eigentlich ganz normale Fragen, die aber bei den meisten jungen Menschen heutzutage zu Schweißausbrüchen führen. Statt in Tagträume abzuschweifen, wird gestammelt und die Erwartung niedrig angesetzt: eine eigene Wohnung, ein sicherer Job, gute Freunde.
Die Zukunftsängste der Generation Z sind sicherlich auf viele Ursachen zurückzuführen, vor allem aber auf den stetig schlimmer werdenden Klimawandel. Wie soll man denn bei Schreckensnachrichten und Horrorszenarien bezüglich Massentierhaltung, Waldrodungen, Wildfeuer und, und, und… noch an die Zukunft denken?
Ganz einfach: wählen gehen! Und da die Kommunalwahlen 2021 in Fulda fast vor der Tür stehen, hat sich Fridays For Future Fulda ein Wahlprogramm über- legt, wie wir es gerne sehen würden. Denn reine Worte reichen schon lange nicht mehr; Taten müssen folgen. Politik ist die Kunst, das Notwendig möglich zu machen. Politik darf sich nicht damit begnügen, den Ist-Zustand bloß zu betrachten und Untätigsein mit dem Satz, Politik ist die Kunst des Möglichen, zu rechtfertigen. Als Anregung für die Politiker, die sich aufstellen lassen, hier ein paar Vorschläge unsererseits:
A. Artenschutz
Das Arten- und Insektensterben hat auch in der Bundesrepublik dramatische Ausmaße angenommen. Nach der „Krefelder Studie“ ist die Gesamtbiomasse der Fluginsekten in den letzten 27 Jahre um mehr als 75% zurückgegangen. Weltweit nimmt das Artensterben immer mehr besorgniserregende Züge an. Auch in Deutschland drohen viele Vogelarten auszusterben. Da wo Johann Wolfgang von Goethe noch fünf unserer gefiederten Freunde sehen konnte, sehen wir heute nur noch einen! Wir erleben nur noch einen Rumpfbestand an Vögeln. Diesem Artensterben muss schnellstmöglich auch regional effektiv entgegengewirkt werden.
I. Einhaltung bestehender Gesetze bei Ausgleichsmaßnahmen
Die untere Naturschutzbehörde wird ausdrücklich dazu aufgefordert, die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen in allen Gemeinden des Landkreises Fulda wirksam zu kontrollieren. Bisher haben viele der Gemeinden nicht einmal selbst einen Überblick über die – von ihnen (!) beschlossenen – Ausgleichsflächen, die sie nach bestehendem Baurecht aufrecht erhalten müssen. Außerdem wurden in der Vergangenheit häufig Flächen nach dem Bebauungsplan, die extensiv bewirtschaftet werden sollen, intensiv, beispielsweise durch den Einsatz von Bioziden und damit rechtswidrig entgegen gemeindlicher Planung, genutzt. Es kam ebenfalls vor, dass die Pflege von Ausgleichsflächen an Privatpersonen übertragen wurde, um finanzielle Mittel sparen zu können. Hier zeigte sich, dass diese Privatleute (häufig Anwohner) keine fachgerechte Pflege durchführen. Das bedeutet, dass der Erhalt der Flächen nicht im Sinne der Bauleitpläne gewährleistet wird. Deshalb fordern wir, dass bestehendes Recht eingehalten wird: die Gemeinden dürfen nicht mehr gegen geltendes Recht verstoßen und die untere Naturschutzbehörde muss ihrer Aufsichtspflicht gewissenhaft nachkommen.
II. Heckenpflege
Hecken sind nicht bloß reine Zierpflanzen, um sich die neugierigen Nachbarn vom Leib zu halten, sondern auch wichtige Bestandteile des Ökosystems. Sie bieten einer Vielzahl an heimischen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum und fungieren zusätzlich als Vernetzung. Deshalb gelten sie auch als „Lebensadern der Landschaft“.
Leider werden Hecken vielfach als Hindernis betrachtet, obwohl sie auch wichtige Funktionen in der Landwirtschaft übernehmen können: beispielsweise den Schutz vor Erosion oder Austrocknung. Da so wenig über ihren Wert und die korrekte Pflege allgemein bekannt ist, erfolgt oft ein unsachgemäßer Schnitt mit teils falschen Geräten.
Hier sollte Aufklärung erfolgen, welche Funktionen Hecken haben und wie die korrekte Heckenpflege zu erfolgen hat. Zudem sollte der Landkreis Fulda in eigener Regie Heckenpflege betreiben und darüber hinaus Hecken anpflanzen.
III. Kauf und Erhalt von Streuobstwiesen
Kommunen des Landkreises Fulda sollten aktiv Streuobstwiesen, deren Zustand sich verschlechtert, erwerben und ausreichend für deren Erhalt sorgen. Jede Gemeinde im Landkreis Fulda sollte eine Streuobstwiese zusammen mit den Gemeindeeinwohnern bewirtschaften. Dies schafft ein Gemeinschaftsgefühl. Bürger aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten können zusammenkommen. Wichtig ist, dass alte, vom Aussterben bedrohte Obstsorten angepflanzt werden. Zudem sollten ausschließlich Hochstammobstbäume verwendet werden.
IV. Förderung alternativer Agrarmodelle
Die moderne Agrarwirtschaft trägt in erheblichem Maße zum Artensterben bei. Hier wäre es wichtig, dass der Landkreis Fulda aktiv alternative Modelle fördert, die als role models für die Zukunft der Landwirtschaft dienen. Hier ist auf die Humusbildung besonderes Augenmerk zu legen, die auch für den Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen kann.
V. Ausstattung öffentlicher Gebäude mit Nisthilfen
Öffentliche Gebäude sollten konsequent mit Nisthilfen für Vögel ausgestattet werden. Gerade Haussperlinge, Schwalben, Mauersegler und Schleiereulen können gut gefördert werden. Es ist für uns nicht einsichtig, wieso dieses Potential verschenkt wird. Uns ist rätselhaft, warum der Vogelschutz auf ehrenamtlich Tätige abgewälzt und belächelt wird. In einigen Ortschaften gibt es bereits keine Schwalbenbrutpaare mehr. Dies ist erschreckend, muss aber selbstverständlich nicht so bleiben.
VI. Begrünt die Städte und Dörfer!
Joseph Beuys hat den Slogan „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ geprägt. Wir meinen, dass Stadtverwaltung notwendig ist, eine Stadtverwaldung aber auch. Bäume in jeder Gemeinde steigern das Wohlbefinden und verbessern das Mikroklima. Sie leisten einen Beitrag zur Artenvielfalt. Das Konzept der „Essbaren Stadt“ (und Gemeinde!) sollte überall propagiert werden. Warum nicht den öffentlichen Raum nutzen und dort Obst- oder Nussbäume pflanzen. Hiervon hat jeder was!
VII. Kommunikation und Aufklärung
Darüber hinaus wünscht sich Fridays For Future Fulda bessere Kommunikation, insbesondere auf Landkreisebene. Den Bürgern muss verdeutlicht werden, dass in der Rhön nicht „alles noch gut“ ist, sondern auch hier das Artensterben alarmierende Ausmaße angenommen hat. Insofern fordern wir von den politischen Mandatsträgern, dass mehr Druck in ihrer Partei aufgebaut wird, um die Abkehr von der momentan überwiegend flächenbezogenen Agrarförderung zu gewährleisten und die Bürger besser aufzuklären.
B. Klimaschutz
Ein Begriff, der wohl jedem etwas sagt, ist der Klimaschutz. Wie aber genaue Maßnahmen aussehen könnten, um der Klimakrise entgegen zu wirken und unseren Planeten effektiv zu schützen, davon haben die wenigsten eine genaueVorstellung. Hier sind einige der Punk- te, die es in unser Wahlprogramm ge- schafft haben:
I. Feststellung des Ist-Zustandes
Ohne eine Feststellung des Ist-Zustandes an Emissionen wird es kaum möglich sein, effektiven Klimaschutz zu betreiben. Jede Kommune muss wissen, wie viele Emissionen sie verursacht. Nur so können Ziele festgelegt werden, deren Einhaltung auch überprüfbar ist.
II. Personal für Klimaschutz
Es ist unerlässlich, dass jede Kommune über Personen verfügt, die sich speziell mit dem Klimaschutz befassen. Es darf nicht sein, dass der Klimaschutz unter den Fachbereich einer anderen, meist relativ großen, Abteilung fällt und sozusagen „miterledigt“ wird. Dadurch werden wichtige Vorhaben, wie etwa der Ausbau der Solarenergie, viel zu langsam vorangetrieben. Erst durch den „Klimadialog“ mit Fridays For Future Fulda ist die Stadt zu dem Ergebnis gelangt, dass der Ausbau von Solarenergie auf öffentlichen Gebäuden auch enorme finanzielle Vorteile bietet. In Zukunft dürfen solche „Offensichtlichkeiten“ nicht mehr übersehen werden. Der Landkreis Fulda hat es bisher versäumt, eine für den Klimaschutz zuständige Person einzustellen, obwohl das Land Hessen eine speziell hierfür vorgesehene Förderung bietet. Einen eigenen Fachdienst „Klimaschutz“ zu schaffen, sollte eine Priorität des Landkreises Fulda sein!
III. Ausrichtung des Biosphärenreser- vates Rhön auf aktiven Klimaschutz
Auch die Strategie des Biosphärenreservates Rhön muss konsequent und aktiv auf den Klimaschutz ausgerichtet werden. Hier fordern wir beispielsweise, dass ein entsprechendes Fachforum installiert wird und dass weiterführend Kompensationsmaßnahmen für den nicht gewünschten Ausbau der Windenergie entwickelt werden.
IV. Bebauungspläne
Bebauungspläne müssen den Klimaschutz als prioritäre Angelegenheit behandeln. So muss beispielsweise darauf geachtet werden, dass in Neubaugebieten kein eigenes Automobil notwendig sein sollte. Stattdessen ist es erforderlich, dass diese Gebiete immer an den ÖPNV angeschlossen sind.
Auch Gewerbegebiete sollten nicht mehr so „gefräßig“ geplant werden wie bisher. Anstatt hier den Flächenverbrauch willkürlich zu verteilen, sollte auf eine ökologische und ökonomische Bebauung geachtet werden.
Zudem sollte vorgeschrieben werden, dass, soweit möglich, auf Zement verzichtet wird. Wo dieser verwendet wird, sollten besonders klimaschonende Zementarten verwendet werden, wie etwa „Pixelcrete“.
V. Nutzung von Fernwärme und Nahwärme
Kommunen müssen für die Stadtteile und Siedlungen Wärmeleitpläne (Quartierkonzepte) erstellen, die die Versorgung regeln. Dort, wo es Fernwärme- oder Nahwärmeangebote gibt, muss es für die benachbarten Häuser einen Anschluss- und Benutzungszwang geben, damit diese optimal genutzt werden können. Dabei sollten die Preise attraktiv gestaltet sein.
VI. Vorbildfunktion der Kommunen/ Eigene Vergabe
Bei kommunalen Neubauten ist konsequent eine klimaschonende Bauweise umzusetzen, indem etwa der Rohstoff Holz vermehrt genutzt wird. Bei Vergaben ist der Klimaschutz als wichtiger Faktor zu berücksichtigten, dem Vorrang vor anderen Belangen zukommen muss. Jede Kommune sollte in jedem Fall 100% „echten“ Ökostrom beziehen, eigene Gebäude am besten als „Plus-Energie-Häuser“ bauen und für Bürger Sanierungsberatung anbieten.
VII. Divestment
Außerdem fordert Fridays For Future Fulda Divestment der Kommunen, das heißt, dass zum frühestmöglichen Zeitpunkt sämtliche Investitionen und Geldanlagen grundlegend umstrukturiert werden. Aus klimaschädlichen Investitionen ist sich grundsätzlich zurückzuziehen.
VIII. Förderung des ÖPNV
Der ÖPNV muss massiv gefördert werden. Hierbei muss die Taktung erhöht und bestehende Lücken konsequent geschlossen werden. Das Fahren im ÖPNV muss durch niedrige Preise und einfache Ticketgestaltung attraktiv werden. Nach und nach muss eine möglichst autofreie Innenstadt Fulda das Ziel sein. Hierbei kommt Park&Ride-Systemen eine wichtige Rolle zu.
IX. Zusammenarbeit mit Experten
Auch verstärkte Zusammenarbeit der Kommunen mit wissenschaftlichen Institutionen ist in unseren Augen unerlässlich. Wissen und Kompetenzen müssen weiter ausgebaut und entsprechender fachlicher Rat eingeholt werden.
Generell muss jede politische Maßnahme und jede Verwaltungsmaßnahme bezüglich ihrer Klimafolgen geprüft werden. Der Klimaschutz sowie der Erhalt unserer Natur ist zu lange in den Hintergrund gerückt oder bei politischen Entscheidungen beinahe vollständig ignoriert worden. Um das Fortbestehen unseres Planeten und somit auch das des Landkreises Fulda für zukünftige Generationen zu sichern, muss der Fokus vermehrt auf den Klimaschutz gelegt werden. Der Status quo darf auf keinen Fall erhalten bleiben. Schluss mit leeren Worten und her mit konkreten Maßnahmen – Klimaschutz geht uns alle etwas an!
Text von: Charlotte Fricke und Matthias Hohmann