Investor verärgert
Verärgert, sehr verärgert war der Fürstabt. Diese sturen Mönche! Er hatte sich schon in seiner Kutsche den Schlossgarten hinaus durch das liebliche Waidestal zu seiner neuen Sommerresidenz fahren sehen. Fulda zu seinen Füßen und die Stadt hätte, einer neu angelegten barocken Achse entlang, hinauf geblickt zu Prunk und Herrlichkeit zwischen Rauschenberg und Petersberg.
Ein Beitrag von Alexander Sust.
Aber nein! Mit seiner vermaledeiten Halsstarrigkeit vereitelte der Konvent seine kühnen Pläne, mit denen er das Gesicht der Stadt wahrlich verändert hätte. Das Land gehörte nun einmal dem Kloster und er brauchte dessen Einverständnis. Doch die paar Ziegen und Schafe, die dort ihre Weiden hatten, waren den Mönchen wohl wichtiger. Seit Jahrhunderten schon versorgte das Hofgut Ziehers, von dem die Stadtplanung der Moderne nichts übrig ließ außer dem Namen und einer alten Gartenmauer, mit seinen ausgedehnten Äckern und Weiden das Kloster. Beleidigt verzog sich Fürstabt Adalbert von Dalberg in sein Jagdschlösschen Fasanerie bei Eichenzell außer Blickweite der Stadt und ließ dieses in der Folgezeit aufwändig zu seinem neuen Sommerschloss umgestalten.
Kein Acker für Wohnsiedlungen
Wir wissen nicht, was die Mönche des Klosters damals dazu veranlasste, ihrem Abt und Fürsten die Stirn zu bieten. Es liegt aber nahe, dass sie dabei um den Verlust der Flächen besorgt waren, von denen sie sich ernährten. Die Domäne Ziehers gehörte zu den wichtigsten Gütern des Klosters. Noch bis 1955 kamen die Flächen nicht für eine Ausdehnung der Stadt infrage. Erst Ende der 50er Jahre blickte man mit neu erstarktem Selbstbewusstsein in die Zukunft und warf alle Sorgen in den Wind, die fruchtbaren Böden könnten dereinst noch einmal zum Stillen des Hungers gebraucht werden. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Erinnerung an den Nahrungsmangel der Nachkriegszeit kaum ein gutes Jahrzehnt alt war. Noch 1947 hatte die hessische Regierung den Verkauf der Domäne unter der Maxime „Kein Acker für Wohnsiedlungen“ abgelehnt.
Heute sieht die Welt anders aus
Wer heute in Deutschland mit Stadtplanern über mögliche Ernährungsengpässe sprechen möchte, wird wohl eher auf ein mildes Lächeln stoßen, als auf ein offenes Ohr. Unstillbaren Hunger kennen sie nur von Investoren und zwar auf immer mehr Bauland. Der Flächenverbrauch wächst, obwohl die Bevölkerung schrumpft. Beim Abwägen unterschiedlicher Interessen scheint das Interesse des Großkapitals stets das beste Argument in der Hand zu haben. Doch selbst die Banken warnen vor einer neuen Spekulationsblase bei Immobilien. Die Commerzbank kommt jüngst zu der Einschätzung, dass Wohnungen und Häuser derzeit schon zehn Prozent zu teuer sind; und der Trend geht weiter. Wer hier „HALT!“ ruft, wird nicht für voll genommen – eher dafür gehalten.
Nachhaltige Stadtentwicklung
Auf der anderen Seite verpflichten sich immer mehr Städte- darunter auch Fulda- zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Diese ist eines der 17 großen Ziele zur Nachhaltigen Entwicklung (SDGs), die unter Führung der Vereinten Nationen 2015 international vereinbart wurden.
Auch die Bundesrepublik Deutschland hat sich dazu verpflichtet, „bis 2030 die Verstädterung inklusiver und nachhaltiger zu gestalten und die Kapazitäten für eine partizipatorische, integrierte und nachhaltige Siedlungsplanung und -steuerung (…) zu verstärken“. Wie dieses Ziel in Fulda umgesetzt wird, hängt maßgeblich von uns Bürgern ab. Wir müssen gemeinsam mit den Verwaltungsebenen eine neue Planungskultur einüben, welche die gesteckten Ziele auf den konkreten Fall herunterbricht. Wir dürfen nicht müde werden zu fragen, welche Folgen unser Handeln für uns, unsere Kinder und Enkelkinder hat, und unsere Entscheidungen konsequent danach ausrichten.
Wir können uns dabei ein Beispiel an den alten Mönchen nehmen und zu den Großen und Mächtigen sagen:
„Baut eure Residenzen, aber verbaut mit ihnen nicht unsere Zukunft!“