Kommt die Machtübernahme der Konzerne?
Wer den Hamburger Hafen besucht oder endlose LKW-Kolonnen auf den Autobahnen beobachtet, bekommt die Spur einer Ahnung, was die Exportorientierung der hiesigen Wirtschaft schon heute bedeutet. Sie hat Wohlstand gebracht, aber auch Umweltzerstörung und Klimawandel, Ungleichverteilung und Menschenrechtsverletzungen. Jetzt soll noch ein Gang zugeschaltet werden. Einer, dem wir laut und deutlich widersprechen.
Kanzlerin Merkel und der EU Handelskommissar De Gucht sowie US-Präsident Obama werden nicht müde, die Vorteile eines neuen Freihandels- und Investitionsabkommens, des TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), zu preisen. Noch mehr Wachstum soll es bringen, Arbeitsplätze und höheren Verdienst. Bei anderen Freihandelsabkommen wurde das auch versprochen, zum Beispiel beim Nordamerikanischen Nafta-Abkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko. Es brachte die Verlagerung von Jobs in den Niedriglohnsektor und massive Verarmung besonders im Süden Mexikos. Die Zahlen, die die TTIP-Befürworter vorlegen, halten zudem keiner Überprüfung stand. Das neue Projekt wird im Geheimen verhandelt – und das, obwohl es um zentrale Zukunfts-Fragen geht. Industrie-Lobbyisten werden immer wieder als Berater hinzugezogen, kritische Stimmen kaum. Die US-amerikanische Landwirtschaftsindustrie hofft auf ein Ende des für sie lästigen Vorsorgeprinzips in der EU. Bis heute blockiert es Waren aus den USA, wie mit Hormonpräparaten gemästete Schweine oder nach der Schlachtung in Großanlagen im Chlorbad desinfizierter Hühner. Um die ArbeitnehmerInnenrechte ist es in den USA eher schlechter bestellt als in Europa. Aber wenn im Rahmen solcher Abkommen „harmonisiert“ wird, kommt aller Erfahrung nach der schlechtere Standard heraus.
Auch in den USA gibt es kritische Stimmen
Umgekehrt fürchten auch viele informierte Menschen in den USA das TTIP: Die Regeln für Banken sind in der EU laxer und die US-Banken hoffen darauf, künftig weniger streng kontrolliert zu werden. Bislang wird die umweltzerstörende Gasgewinnung mittels Fracking in den USA noch etwas im Zaum gehalten, weil das Gas nicht exportiert werden darf. Genau das wollen aber jetzt Konzerne und US-Präsident, zur Freude der Europäer – und ganz offen geht es dabei auch darum, Russland eins auszuwischen. Für die Umweltschützer in den USA ist die Ausweitung des Fracking ein Horror. Wenn sie kommt, kommt bestimmt auch der nächste Versuch, das Fracking in Europa durchzusetzen. Sehr wichtig ist den Verhandelnden der Schutz der Investoren – zum Beispiel durch sogenannte Investor-Staats-Klagen. Dabei können Konzerne, die etwa durch neue Umweltgesetze, bessere Arbeitsschutzbestimmungen oder Steuererhöhungen ihre ursprünglichen Gewinnerwartungen gefährdet sehen, gegen Staaten klagen. Über Schadensersatzforderungen verhandeln dann private Schiedsgerichte, deren Beschlüsse völkerrechtlich bindend und nicht revisionsfähig sind. Eine fatale Privatisierung des Rechts! Das TTIP steht sich selbst im Wege. Das ist vielleicht eine gute Nachricht, denn die vielen Widersprüche zwischen den Verhandelnden und die zunehmenden Proteste aus der Bevölkerung beider Kontinente machen einen „großen Wurf“ unwahrscheinlich. Aber noch eine Gefahr droht: Vorgesehen ist, das Ganze als ein „lebendiges Abkommen“ (Living Agreement) zu gestalten, das nach der Unterschrift auch unter ein Rumpf-Abkommen peu a peu weiter ausgestaltet werden kann.
Perspektive und Gegenwehr
Keine schöne Perspektive. Und noch ein Grund zur Gegenwehr.
Davon gibt es inzwischen zum Glück immer mehr: Das globalisierungskritsche Netzwerk Attac ist mit seiner Kampagne „TTIP in die Tonne“ aktiv und zugleich im Bündnis „TTIP unfairhandelbar“ dabei, dem auch Umweltorganisationen wie BUND und Naturschutzbund angehören, Gewerkschaften, entwicklungspolitische Organisationen, Campact und viele andere. Info- und Protestveranstaltungen gibt es, die kreative Attac-Kul.tour durch das ganze Land, ansprechendes Infomaterial sowie Videoclips und vieles mehr.
– Beitrag von:
www.attac.de/ttip
Veranstaltungstipp:
Am 2. Mai wird in Fulda am Jesuitenplatz die bundesweite Kul.Tour im Rahmen der attac-Kampagne gegen das Freihandelsabkommen gestartet. Ab 17.00 Uhr wird eine Vielzahl regionaler Künstler auftreten und dadurch die Ziele der Kampagne unterstützen. Die inhaltlichen Statements zum Freihandelsabkommen wird Jutta Sundermann vom attac-Koordinierungskreis übernehmen. Den Abschluß übernimmt DJ Shaggy, der im Museumscafe ab etwa 21.30 Uhr zur Kul.Tour-Disco einlädt.
Der Eintritt ist frei.