Moderne Trainingslehre
Das U 19 Rennradteam von RSV Froh Fulda steht vor seiner 3. Bundesligasaison. Die Weichen dafür wurden aber schon vor 7 Jahren gestellt. Während andere Teams ihre Fahrer von mehreren Clubs aus Großstädten oder Bundesländern beziehen, kommen die meisten jungen Männer von Froh direkt aus Fulda. Eine Sensation! Reiner Zufall? Wir sprachen mit Peter Hahner, dem Mann hinter den Kulissen. Und sind nun weniger überrascht.
A.: Anfang April beginnt die neue Saison für euch. Was rechnet ihr euch dieses Jahr aus?
P.H.: Letztes Jahr wollten wir unter die ersten 10 Mannschaften kommen. Leider sind wir knapp 11. geworden. Für dieses Jahr ist das Ziel Top 10 wieder realistisch.
A.: D.h. ja, dass deine Jungs zu den besten Radrennfahrern in Deutschland in ihrer Alterklasse zählen. Und das schon seit drei Jahren. Was ist das Geheimnis?
P.H.: Na ja. Da muss ich ein bisschen ausholen. Die Jahrgänge 96/97 sind schon ein Glücksfall gewesen. Mein Sohn Fabian fährt seit 2007 Rennen. Damals kamen dann weitere Kinder und Familien dazu, die Interesse am Radsport hatten. Seit 2008 z.B. trainieren Joshua Henkel und Carsten Seifert mit uns (beide fahren in dieser Saison alterbedingt nicht mehr im Team Anm.d.R.). Joshua ist ein sehr guter Ausdauerathlet und Zeitfahrer. Carsten ist sehr clever auf dem Rad und schafft eine hohe Endgeschwindigkeit. Und beide können dies auf einem extrem hohen Niveau. Da liegt es doch auf der Hand, das Erfolge nicht ausbleiben.
A.: Aber zwei Fahrer machen ja noch keine Mannschaft, oder doch?
P.H.: Natürlich nicht. Mein Sohn Fabian z.B. ist taktisch und am Berg sehr gut. Mit Niklas Schenk haben wir jemanden, der auf sehr lange Distanz schnell fahren kann. Fabian Brähler kann gut Zeitfahren und zählt am Berg zu einen der besten. Fällt dir was auf?
A.: Mmm, das klingt vielfältig.
P.H.: Genau! (Peter klopft mir anerkennend auf die Schulter) Wir schaffen es bei unterschiedlichsten Rennen immer wieder Fahrer in die Platzierungen zu bringen. Im Rennen gibt es immer mal Situationen, in denen gebolzt wird. Da sind unsere Zeitfahrer mit dabei. Fährt das Feld in einen Berg, haben wir zwei Bergfahrspezialisten. Und kommt es zu einem Zielspurt haben wir jemanden wie Jan Blankenhagen, der eine super Sprinter ist. Hinzu kommt dann noch ein Allrounder wie Alexander Böse. Der kann bei Mannschaftszeitfahren mitmachen oder ist plötzlich vorne mit dabei, wenn alles schon verloren geglaubt ist.
A.: Du hast angedeutet, dass dir das Talent der Jungen schon früh auffiel, dachtest du schon damals daran, ein Bundesligateam zu stellen?
P.H.: Mir war seit dem 1 Jahr in der U 13 klar, dass wir das schaffen.
A.: Und seit dieser Zeit, also etwa 2009, hast du wie die Weichen gestellt?
P.H.: Vor allem dadurch, dass wir uns gezielt Rennen ausgesucht haben, in denen wir vielleicht nicht gewinnen, aber uns mit den Besten messen können und Erfahrungen sammeln.
A.: Um da mithalten zu können, muss man viel trainieren. Auf diesem Niveau weiß ich auch, dass es ohne individuelle Trainingpläne nicht geht. Die Trainer stellen also Übungen und Distanzen für jeden, Tag, jede Woche, jeden Monat auf…
P.H.: Alles Quatsch.
A.: Wie bitte?
P.H.: Die Jungs selbst müssen wissen, wie man trainiert. Ein vorgegebner Trainingsplan geht nicht auf das tägliche Leben, Gesundheit und Wetter ein. Der Fahrer weiß am besten, wann er wie trainieren sollte.
A.: Aha, also kein Plan.
P.H.: Natürlich haben wir einen Trainingsplan. Wir gestalten Rahmenbedingungen, unter denen man mit Freude und „sich austesten“ trainieren kann. Wir sammeln zum Beispiel die Zeiten, wann die Fahrer als Gruppe unter der Woche gemeinsam fahren können. Wo sie sich dann treffen und wie lange sie fahren, liegt bei ihnen. Da die Jungs aber wissen, dass alle da sein werden, um zu fahren, stachelt das natürlich an, sich aufs Rad zu schwingen. Außerdem kennen sie meine Trainingsregel, also wie man am besten trainieren sollte. Die Motivation und sich einander Mut machen kommt dann aus dem Team.
A.: Was sind das für Regeln?
P.H.: Eine ist das Wetter!
A.: ?
P.H.: Ist doch klar, wenn das Wetter schön ist, dann raus und fahren. Was nützt es, wenn ich einen Trainingsplan habe, die ganze Woche ist mieses Wetter und am einzigen schönen Tag ist ein Ruhetag vorgesehen.
A.: Macht sinn!
P.H.: Danke. Hierbei zu beachten ist das Laubbaumprinzip.
A.: (verwunderter Blick)
P.H.: Im Frühjahr erwacht der Baum aus dem Schlaf. Er treibt aus, wächst, zeigt seine Kraft. Für den Rennfahrer heißt das, fahren, fahren, fahren. Im Sommer steht er dann in voller Kraft, der Baum. Dann sind alle großen Rennen. Deutsche Meisterschaften etc. Im Herbst kommt man langsam zur Ruhe und im Winter muss man mal andere Sportarten machen, außer Radfahren. Damit man im Frühling wieder Lust hat.
A.: Welche Regeln gibt es noch?
P.H.: Man muss gesund sein und wirklich Lust haben zu fahren. Dann gibt es noch Trainingszyklen zu beachten. Das ist auch keine Hexerei, würde aber hier zu weit führen.
A.: Peter, das klingt nicht nach Zaubertrank, aber zwischen den Zeilen merkt man, dass ihr was besser macht als viele andere. Was ist der Unterschied? Und wie schafft ihr die Balance zwischen Spaß und an die Grenzen gehen?
P.H.: Das wichtigste ist das Teamgefühl. Wir sind so stark, weil wir eine Mannschaft sind, die auch neben dem Fahren was zusammen machen. Und das versuche ich zusammen mit anderen zu fördern. Und das macht die Hauptarbeit aus. Ein Umfeld zu schaffen, in dem sich jeder individuell wohlfühlt. Nachzugehen, wenn jemand nicht zum Training kommt. Geselligkeit während der vielen gemeinsamen Wochenenden. Nudelparties, Lagerfeuer, Albernheiten. Sich die Sorgen anhören. Und mit einem Wir Gefühl respektiert man einfacher die Stärken des anderen. Die Mannschaft fährt für einander. Muntert sich während des Rennens auf und hat gelernt, zusammen strategische Entscheidungen selbst zu treffen.
A.: Peter, vielen Dank für das Interview.