(Nicht-)Wohnen mit Hartz IV
Wohnen ist ein Grundbedürfnis und gehört laut Bundesverfassungsgericht zum Existenzminimum. Leider wird es für immer mehr Menschen zu einem Problem, dieses Grundbedürfnis zu befriedigen. Für manche Menschen ist es schlicht unmöglich.
Seit 2010 ist die Bevölkerung Fuldas um ca. 1200 Menschen gewachsen, die Zahl der Studierenden hat sich um ca. 2000 erhöht. Zur gleichen Zeit wurden etwa 1600 Sozialwohnungen in Fulda an private Investoren verkauft. Dies alles führte zu einem starken Anstieg der Mietpreise.
Besonders hart trifft dies Menschen, die auf staatliche Leistungen wie Hartz IV angewiesen sind. Für diesen Personenkreis werden durch den Landkreis Mietobergrenzen festgelegt, bis zu denen die Kosten für die Unterkunft übernommen werden. Diese Obergrenzen werden statistisch ermittelt und auch Bestandsmieten werden in die Erhebungen mit einbezogen. Hier ergibt sich folgendes Problem: Die Preise für Wohnungen die vermietet sind, sogenannte Bestandsmieten, sind lange nicht so stark angestiegen, wie die Preise für Neuvermietungen. Mietpreiserhöhungen sind gesetzlich gedeckelt, bei Neuvermietung kann so viel verlangt werden, wie Menschen bereit sind zu zahlen. Dadurch ergeben sich Grenzwerte, die für die Anmietung einer Wohnung bei weitem nicht ausreichen.
Als ehrenamtlicher Berater der Erwerbsloseninitiative Fulda unterstütze ich Betroffene bei der Suche nach geeignetem Wohnraum. Dabei muss ich leider immer wieder feststellen, dass es zu den genehmigten Preisen des Landkreises einfach keine Wohnungen gibt.
Beispielhaft möchte ich die Situation an der Suche nach geeignetem Wohnraum für eine Person in der Stadt Fulda und den Gemeinden Künzell und Petersberg darstellen. Berücksichtigt habe ich dabei Unterkünfte bis 50 qm (WG-Zimmer wurden nicht berücksichtigt, doppelte Angebote nur einmal herangezogen). Die Angebote habe ich im Internet bei immowelt.de und immobilienscout24.de eingeholt.
Gefunden habe ich 26 Wohnungen in einer Preisspanne von 240.- Euro bis hin zu 435.- Euro. Da die Grenze des Landkreises momentan bei 220.- Euro liegt (www.jobfulda.de/images/Bilder/Formulare/Wohnungskriterien.pdf), gab es danach keine einzige Wohnung, die für Leistungsbezieher_Innen genehmigt worden wäre. Zwar steigt der Satz am 1. Juli auf 240.- Euro, aber auch dann wäre nur eine einzige Wohnung im zugelassenen Preisrahmen. Bei den gefundenen Wohnungen betrug die durchschnittliche Miete 303,39 Euro, die Durchschnittsgröße 29,3 qm.
Diese Momentaufnahme deckt sich mit meinen täglichen Erfahrungen bei der Wohnungssuche und setzt sich in gleicher Weise bei größeren Wohnungen fort.
Ein weiteres Problem für die Betroffenen, die nicht nur Teile ihrer Unterkunftskosten aus dem mageren Regelsatz bestreiten müssen, ergibt sich aus der Tatsache, dass bei solchen Wohnungen keine Darlehen für die Kaution und eventuelle Maklerkosten gewährt werden, es gibt dann auch keinerlei finanzielle Unterstützung für den Um- oder Einzug. Somit wird für viele Betroffene das Anmieten von Wohnraum faktisch unmöglich.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte in 2010, wohnen gehört zum Existenzminimum. Dieses Existenzminimum steht jedem Menschen in Deutschland zu und der Staat ist verpflichtet, dieses Existenzminimum einzulösen, es darf nicht auf die Hilfe Dritter verwiesen werden.
Diese grundsätzliche Forderung wird im Landkreis Fulda jedoch immer öfter nicht eingelöst, immer mehr Menschen sind darauf angewiesen bei Bekannten oder Freunden Unterschlupf zu finden, weil es für sie keine Wohnungen gibt, die den Kriterien des Kreisjobcenters entsprechen.
Diese Situation trifft nicht nur Hartz IV-Empfänger, auch Menschen mit geringem Einkommen sind davon betroffen, da auch die Tabellen, nach dem der Wohngeldzuschuss berechnet wird, nicht entsprechend angepasst werden. In einem der reichsten Länder der Erde macht sich die Wohnungsnot breit, obwohl Wohnen ein Grundrecht ist.
von Wolfgang Lörcher
Quellen (abgerufen Juni 2015):
www.immonet.de, www.immobilienscout.de, www.tiny.cc/wohnungskriterien