Schöner Wohnen in Fulda!?

Foto: Agora

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Die jüngst veröffentlichten Daten zur Bevölkerungsentwicklung in Hessen sehen einen positiven Trend in Fulda. Der Anteil der Wohnbevölkerung wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Gleichzeitig werden zahlreiche Umlandgemeinden schrumpfen. Die Frage, wo alle wohnen sollen und wie viel Geld künftig für den Wohnzins aufgebracht werden muss, scheint dagegen weniger Beachtung zu finden. Dabei wird man nicht umhin kommen, sich mit einer Thematik zu beschäftigen, von der man bislang geglaubt hat, sie beträfe nur die Metropolen der Republik: Gentrifizierung!

Wer genug Geld hat und aufgrund der anhaltenden Niedrigverzinsung nicht so genau weiß, wohin damit, dem haben “Der Spiegel” sowie das Verbrauchermagazin „PlusMinus“ der ARD im März diesen Jahres eine verlockende Möglichkeit eröffnet. Bundesweit empfehlen die Nachrichtenmagazine den Kauf von Immobilien vor allem in Wolfsburg und Fulda, dicht gefolgt von Bonn und Braunschweig. Eurokrise und niedriger Leitzins schreien geradezu danach, Betongold zu horten, anzukaufen, zu sanieren, teurer zu vermieten und schließlich weiterzuverkaufen. Immobilienspekulation ist ein rentables Geschäft in dieser Zeit. Eine Stadt mit positiver Bevölkerungsentwicklung wie Fulda ist wie eine prall gefüllte Kuh, die nur aufs Melken wartet. Doch wie lange wird sich die Stadtverwaltung am gesteigerten Andrang in die Barockstadt erfreuen können?

Das große Interesse der Geldanlage gilt erfahrungsgemäß weniger dem Einfamilienheim am Stadtrand als vielmehr Mehrfamilienhäusern, Wohnblöcken und Altbauten in der Kernstadt und ihren Vierteln, egal ob Bestand oder Neubau. Mit der Aussicht auf vermehrten Zuzug in die Kernstadt in den kommenden Jahren neigt sich das Risiko des Kapitalverlustes bei Hauskauf daher nahezu gen Null. Ein Blick auf die Preisentwicklungen in jüngster Zeit verdeutlicht die Situation. Der lange Zeit stagnierende und vor allem durch regionale Besitzverhältnisse dominierte Immobilienmarkt geriet gerade im vergangenen Jahr ziemlich in Bewegung, wie die Daten auf Internetseiten wie wohnungsboerse.net gut verdeutlichen. Ein paar nüchterne Zahlen vorab: Für Eigentumswohnungen in Fulda muss man aktuell je nach Wohnungsgröße zwischen 2.300 € und 2.800 € pro Quadratmeter durchschnittlich aufbringen. Hier ist ein eher leichter Anstieg zu den Jahren 2011-2014 zu verzeichnen. Vorher bewegte sich der Preis deutlich um ein paar Hundert Euro darunter. Ganz anders sieht es bei Mietwohnungen aus. Galt Fulda lange Zeit als günstige Stadt – mal abgesehen vom bevorzugten Frauenbergviertel -, zählt sie inzwischen zu den “Hidden Champions”, den Städten, deren Entwicklung im Preisniveau deutliche Steigerungsraten erwarten lassen. In der Regel zahlte man jahrelang durchschnittlich um die 5 Euro pro Quadratmeter. Derzeit werden auf dem freien Wohnungsmarkt um die 7 Euro verlangt, bei Kleinwohnungen sogar bis zu 12 Euro, je nach Ausstattung und Lage. Sowohl die Vergleichsdaten im Internet, als auch die Inserate in den Fuldaer Anzeigenseiten bestätigen den Aufwärtstrend.

Doch welche größeren Bevölkerungsgruppen stellen nun eigentlich das Gros der Menschen, die demnächst nach Fulda ziehen werden? Dazu vier gewagte Thesen. Erstens handelt es sich um junge Familien mit dem hohen Einkommensniveau aus dem Rhein-Main-Gebiet, die mit dem weitaus geringeren Ausgabenniveau des Fuldaer Landes belastet werden. Ein gutes Heim am Stadtrand mit städtischer Infrastruktur, verbunden mit besten Verkehrsanbindungen Richtung Frankfurt, that’s it. Im Vergleich zum Ballungsraum wird es auch in Zukunft billiger bleiben, den Hauptwohnsitz nach Fulda oder eine der unmittelbaren Stadtrandgemeinden zu verlegen und beruflich zu pendeln. Die letztjährige Neuausweisung von Baugebieten z.B. in Maberzell und Edelzell hat gezeigt, dass Bauland in Windeseile verkauft war, während die Wartelisten nicht kleiner werden. Auch Petersberg, Künzell und Eichenzell profitieren davon. Zweitens werden verstärkt Senioren aus dem Umland, aus Rhön und Vogelsberg nach Fulda ziehen. Die “Bevölkerungsvorausschätzungen für die hessischen Landkreise und kreisfreien Städte” der Landesregierung zeigen eine deutliche zukünftige Bevölkerungsabnahme vor allem dort, wo zunehmend Infrastruktur verloren geht. Das Wegfallen von Versorgungszentren, die Reduzierung des Öffentlichen Nahverkehrs sowie die Schließung von Arztpraxen lassen viele SeniorInnen in die größeren Kerngemeinden oder nach Fulda ziehen. Dorthin, wo sich Ärzte ballen und Supermärkte gleich um die Ecke sind. Der gestiegene Anteil an Seniorenwohnungen auf dem Markt kommt nicht von irgendwoher.

Drittens studieren derzeit rund 7.500 Menschen an der Hochschule, die kürzlich verkündete, weiter wachsen zu wollen. Das Ziel in absehbarer Zeit seien über 9.000 Studierende, der anhaltenden Förderung durch das Land Hessen sei Dank. Die vermehrte Umwandlung von Mehr-Zimmer-Altbauwohnungen in preislich gehobene 1-Zimmer-Appartements vor allem im Nordend und somit in Hochschulnähe sprechen eine deutliche Sprache. Weiter werden auch die in Konkurs gegangenen EIKA-Werke wohl zum guten Teil in Studierendenwohnheime umgebaut. Wer sich das leisten kann, darf hochschulnah hausen. Der Rest gehört eher zu den benachteiligten Gruppen, die um die knapper werdenden Wohnungen mit EmpfängerInnen von Sozialleistungen, NiedrigverdienerInnen und der viertens bislang noch nicht erwähnten Gruppe der anerkannten AsylbewerberInnen konkurieren. Die Veränderungen in der Asylgesetzgebung enden in sogenannten “beschleunigten Verfahren”. Demnach werden anerkannte AsylbewerberInnen – nach aktuellem Stand der Schätzungen handelt es sich um deutlich über eintausend Menschen im Landkreis Fulda – auf der Suche nach Wohnraum sein. In welchem Stadtgebiet wohl welche Personengruppen unterkommen auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum dürfte nicht besonders schwer zu erraten sein. Und dies sind nur vier größere Personengruppen. Die Rechnung mit mehreren Unbekannten hält sicher weitere Überraschungen parat.

In Folge der Mietraumverknappung dreht sich das Besitzerkarussel allmählich schneller. Auf dem bundesweiten Immobilienmarkt schlagen Riesen wie die Deutsche Annington verstärkt zu und vertreiben zunehmend die kleineren lokalen Genossenschaften durch Übernahme und Immobilienerwerb. Jüngster Coup im Juni 2015 ist die Übernahme der Baden-Württembergischen Südewo mit fast 20.000 Wohneinheiten, die allerdings noch vom Kartellamt bestätigt werden muss. Auch in Fulda ist die Deutsche Annington äußerst aktiv. Die Qualität der Wohnungen und der im Verhältnis dazu stehende Mietpreis sind ein Thema für sich. Von günstigem Wohnraum kann hier nicht wirklich gesprochen werden. Zudem wechseln gehäuft Mehrfamilienhäuser die Besitzer, die vielfach nicht aus der näheren Umgebung kommen. Der Kontakt für die Bestandsmieter läuft oft über eingesetzte Hausverwalter ohne größere Entscheidungsbefugnis, Mieten werden umgehend angehoben, Sanierungsmaßnahmen angekündigt und durchgezogen, die anschließende Neuvermietung ist eher die Regel, gezielter Leerstand wegen geplantem Weiterverkauf zumindest in Fulda eher die Ausnahme. Soziologisch gesehen handelt es sich bei diesen Abläufen um einen Strukturwandel, kapitalistisch gesehen um Profitmaximierung und gesellschaftlich gesehen um Sprengstoff. Zusammenfassend ist dies schlicht Gentrifizierung.

Gentrifizierung ist der sozialökonomische Strukturwandel, der sich vollzieht, wenn angestammte Bevölkerungsgruppen mangels monetärer Mittel aus ihrem angestammten Wohnumfeld wegziehen müssen, weil sich das Wohnpreisniveau grundlegend ändert. In der Fachsprache wird dies der Wechsel von statusniedriger in statushöhere Bevölkerung genannt, im Effekt ist es die Vertreibung der Armen zugunsten Besserverdienender. Was bleibt sind Stadtrandgebiete und Viertel mit hohen sozialen Problempotential. In den Städten entstehen dadurch neue Konfliktfelder, weil gewachsene Sozialgefüge auseinandergerissen werden.

Zugegeben: Wie sich die Stadt Fulda und ihr Umland durch den rasanten Anstieg der Mietpreise, durch die vermehrte Umwandlung von Mietraum in Eigentum und damit der Verknappung des Marktes, durch den vermehrten Zuzug in die Stadt, durch Mietervertreibung und wachsende Ghettoisierung und durch den belebten Kauf und Verkauf von ganzen Wohnblöcken verändern wird, bleibt pure Spekulation. Der Blick in die Großstädte und Ballungszentren und die durch Gentrifizierung dort entstandenen Sozialkonflikte lassen jedoch nichts Gutes erahnen. Bestehende soziale Brennpunkte verstärken sich, statt abgebaut zu werden. Und die begrenzten Finanzmittel vieler in Zukunft in die Stadt kommender Menschen, die auf die knapper werdende Ware Wohnraum treffen, werden das Gesicht der Stadt langsam aber sicher ändern. Ist die Stadt überhaupt bereit, sich dieser sozialen Herausforderung zu stellen?