Stimme zu – Neutral – Stimme nicht zu

Welche Themen interessieren junge Menschen in der Kommunalpolitik?

Stimme zu – Neutral – Stimme nicht zu  –  Ein Gastbeitrag von Vanessa Hüfner und Manuel Lebek

Ein Blick in ein beliebiges Nachrichtenmedium zeigt ein scheinbar unübersichtliches Durcheinander an Themen: Klimawandel, politische Unsicherheiten, soziale Unterschiede, individuelle Ratlosigkeit und zeitgleicher Wille zum Engagement, zur Veränderung. Die Bandbreite reicht von der Zukunft unseres Planeten (Thema: Klima) bis zu den kleinsten, nicht sichtbaren Teilchen (Thema: Viren). In diesen Zeiten kann wieder an die Idee des „Glokalen“ erinnert werden, global denken – lokal handeln. Ganz konkret stehen auf lokaler Ebene in Hessen und Fulda die Kommunalwahlen an. Dabei lohnt ein Blick darauf, wie die Themen junger Menschen von den zur Wahl stehenden Parteien und Wählervereinigungen diskutiert und politisch entschieden werden. 

Vor kurzem lief in Deutschlandradio ein Feature mit dem Titel „Und wer fragt uns? Wie Jugendliche die Pandemie erleben“ [1] zur Sichtbarkeit der Anliegen und Themen junger Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie. Dabei wurde von eben jener Generation bemängelt, dass gerade ihre Belange nur dahingehend vorkommen, wenn es sich um irgendwelches Fehlverhalten in der Öffentlichkeit oder die Absage von Veranstaltungen ginge, wobei die Gruppe von Studierenden überrepräsentiert sei. Die Lebenswelt von Auszubildenden oder Schüler:innen im Übergang von Schule zu Beruf kommt, laut Deutschlandradio, im öffentlichen Diskurs kaum vor. Ebenso sind Jugendliche und junge Erwachsene, die in Übergängen stecken und eben keine Grundschulkinder mehr sowie noch keine ach so erwachsenen Erwerbstätigen rund um die 30 sind, öffentlich unterrepräsentiert. Eine Möglichkeit, dies zu ändern, ist ein bekanntes und praktisches Online-Tool zur politischen Meinungsbildung: die kommunale Wahlhilfe.

 

 

Kommunalwahl in Fulda: „Politik – was geht mich das an?!“

Die letzte Kommunalwahl in Fulda fand in allen hessischen Städten und Kommunen im März 2016 statt. Die Wahlbeteiligung lag hessenweit für die drei Wahlebenen (Kommune, Gemeinde, Landkreis) bei ca. 48 %. Seit den ersten Kommunalwahlen in Hessen 1956, in der die Wahlbeteiligung noch bei ca. 80% lag, sank diese über die Jahre kontinuierlich, wobei seit den 1990er Jahren der Stimmverlust deutlich fallender wurde. [2] 

Allgemein wird in diesem Zusammenhang von einer gewissen „Politikverdrossenheit“ gesprochen. Bei den Bürger:innen ist oft zu hören, dass es in der Politik an Erklärungen für Zusammenhänge und politische Entscheidungen mangelt. Zudem werden fehlende Transparenz und unklare Positionen kritisiert. Dabei ist in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren nicht nur die politische Diskussion deutlicher und lebendiger geworden, sondern sind es insbesondere die Einmischung und Forderungen gerade aus der jüngeren Generation, die einen gewichtigen Anteil am politischen Diskurs haben. Zu nennen sind hier „Fridays for Future“ sowie insbesondere für Hessen „Wald statt Asphalt“.
Das politische Interesse ist gewachsen, das gilt nicht nur für das Thema Klima und Klimaschutz, sondern auch die Verkehrswende, Migration, Bildung, Datenschutz und Digitalisierung werden zu mittlerweile laut- und meinungsstarken Zukunftsthemen. Vieles lässt sich nur global lösen, politische Zuständigkeiten liegen dann nicht unbedingt bei den Städten und Kommunen; richtig ist jedoch auch, dass alle Zukunftsthemen immer wieder lokale Auswirkungen haben und politische Entscheidungen vor Ort getroffen werden müssen, um politische Ausrichtungen umzusetzen und die soziale Sicherung der Menschen vor Ort zu berücksichtigen.

Politik erfahrbar machen

Für junge Menschen muss Politik zugänglich und praktisch erfahrbar werden. Auch wenn ein Kommunalwahlkompass zum Austausch von Informationen und Meinungen beiträgt, eine Wahlhilfe alleine reicht nicht aus. In der aktuellen SINUS-Jugendstudie 2020 zu Lebenswelten von Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren in Deutschland [3] beschreibt ein 15-Jähriger seine Bedeutung und Wahrnehmung von Politik: 

„Ich fühle mich relativ eingeschränkt. […]. Jetzt nicht so eingeschränkt in ich darf nur das und das sagen, sondern in ich weiß fast nichts. So kann ich darüber einfach nichts sagen. Ich kenne fast keine Namen, ich kenne fast keine Strategien oder Techniken oder so. Und bestimmte Fachwörter, die für jeden selbstverständlich sind, kenn ich auch nicht. Also es ist schwer, darüber zu reden.“ (SINUS-Jugendstudie 2020: 393) 

Knapp ein Drittel der jungen Generation sehen Politik „neutral“. Viele ihrer Aussagen zeige: ihr Unwissen über Politik ist sehr groß und bisher hatten sie kaum Berührungspunkte mit Politik und Poltiker:innen. 52% der Befragten sprechen sogar davon, dass sie Politik nicht interessiere oder äußern Ablehnung gegenüber Politik und Politiker:innen. Einige bemängeln, dass sie keinen Einfluss haben und deshalb auch nichts erreichen könnten. 

Gleichzeitig gibt es Jugendbewegungen wie Fridays for Future mit einer greifbaren Politisierung der Jugend – auf der Straße und im Netz. Und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen auf, wie junge Menschen tatsächlich Politik wahrnehmen und verstehen. 

Wenn junge Menschen kommunalpolitisch beteiligt werden und bei Entscheidungen in ihrer Stadt, in ihrem Landkreis und in ihrer Gemeinde mitreden können, steigt auch das Interesse, wählen zu gehen. 

Und, wie stehst du zu Jugendbeteiligung und politischer Bildungsarbeit?

Stimme zu – Neutral – Stimme nicht zu. 

Kommunale Wahlhilfe, was ist das?

Freizeit, Digitales, Jugendbeteiligung – erstmals wird es für Fulda eine Wahlhilfe für junge Menschen zur Kommunalwahl 2021 geben. In dem Online-Tool (ähnlich zum Wahl-O-Mat bei der Bundestagswahl) kann jede:r persönliche Meinungen, Haltungen oder Präferenzen mit den Positionen von Parteien und Wählervereinigungen vergleichen. Für die anstehenden Kommunalwahlen erstellen bis Mitte Februar 2021 Jugendverbände und Jugendringe in mehr als 30 hessischen Städten, Landkreisen und Gemeinden in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt, der Goethe-Universität Frankfurt und der hessischen Landeszentrale für politische Bildung, Wahlhilfen zur demokratischen Beteiligung.

Wie entsteht die Wahlhilfe Fulda? 

Ob in Schule, Jugendtreffs oder Vereinen – die Wahlhilfe soll viele junge Menschen erreichen. In Fulda entwickelt das Bezirksjugendwerk der AWO Nordhessen einen parteipolitisch neutralen Kommunalwahlkompass. Mit dem Projekt möchte das „Team Fulda“ Bürger:innen politische Themen der Kommunalpolitik näherbringen und auch zeigen, Kommunalpolitik kann jugendpolitisch sein. Mehr als 20 Thesen zu Nachhaltigkeit, Partizipation, Migration, Bildung, Gender, Impfpflicht, Drogenkonsum oder auch Jugendsport wird der Kommunalwahlkompass beinhalten. 

Eine These könnte zum Beispiel lauten: „Es soll mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum geben.“ Seit 20 Jahren werden Videosicherheitstechniken in der Fuldaer Innenstadt ausgebaut. Neben einem Sicherheitsgefühl sollen Überwachungskameras zur Prävention und Nachverfolgung von Straftaten beitragen. Kritische Stimmen äußern, dass Videoschutzanlagen an Orten wie dem Uniplatz, Bahnhofsvorplatz oder auch dem Busbahnhof die Persönlichkeitsrechte einschränken und Straftaten sich an andere Orten im Stadtgebiet verschieben. Aber, wie stehst du dazu?

Stimme zu – Neutral. – Stimme nicht zu. 

Anhand von Gesprächen mit jungen Menschen und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen werden die Thesen für die Wahlhilfe Fulda entwickelt. Zum Thema „Mädchen und Frauen“ generiert das Team eine These mit der Feministischen Initiative Fulda. „Schwangerschaftsabbrüche sollen in Fulda möglich sein“, könnte eine These der Initiative heißen. Schwangerschaftsabbrüche sind in Fulda nicht möglich. Wenn ein Mädchen oder eine Frau eine Schwangerschaft abbrechen möchte, dann müssen Wege nach Kassel oder Hanau aufgenommen werden – eine weitere Hürde für ein selbstbestimmtes Leben. Aber, wie stehst du dazu, Schwangerschaftsabbrüche in Fulda zu ermöglichen?

Stimme zu – Neutral. – Stimme nicht zu. 

Einen Monat vor den Kommunalwahlen wird der Kommunalwahlkompass auf Instagram, Facebook und der Homepage des Bezirksjugendwerks der AWO Nordhessen abrufbar sein. Auf dem Handy, Laptop oder PC, die Wahlhilfe funktioniert auf jedem Gerät. Fuldaer Bürger:innen werden so mitbekommen, „Wer steht zur Wahl?“ und „Wofür stehen die Parteien und Wählervereinigungen in Fulda?“ Mit dieser Wahlhilfe sollte es viel einfacher sein, am 14. März 2021 ein Kreuzchen zu setzen. 

Bezirksjugendwerk AWO

Instagram: @awojugendwerk

Facebook: @jugendwerknordhessen

Internet: www.jugendwerk-nordhessen.de


FUSSNOTEN

[1] Deutschlandradio: „Und wer fragt uns? Wie Jugendliche die Pandemie erleben“/Sören Brinkmann (11.12.2020)

[2] Hessisches Statistisches Landesamt: Die Kommunalwahl am 06. März 2016. (Online abrufbar).

[3] SINUS-Jugendstudie 2020. Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Zarbock: Bonn.