Suppe versalzen im Kali-Revier
Ein Gastbeitrag zur aktuellen Diskussion über K+S – von Karin Masche
Der Kaliabbau ist seit fast 100 Jahren mit Unterbrechungen in Osthessen ein Wirtschaftsfaktor. Bekannt sind „die weißen Berge“ bei Philippsthal, Heringen und Neuhof. Von dort oben leuchtet auch ein Gipfelkreuz hinunter ins Tal mit der frohen Botschaft von sicheren Arbeitsplätzen und steuerlichen Einnahmen für die Gemeinden. Konzerte werden auf „dem Berg“ veranstaltet, und bei vielen Anlässen schmettert der Bergmannschor in seinen schmucken traditionellen Uniformen sein „Der Steiger kommt“. Dadurch wird der Kaliberg nicht nur mit Tradition geschmückt, er wird förmlich zu einem festen Bestandteil der Region.
Doch dieses „heile Weltbild“ wird derzeit erschüttert: Razzien in der K+S Konzernzentrale in Kassel, Anklageerhebung gegen Manager wegen Umweltvergehen, Ängste bei den Kollegen und ihren Angehörigen, dass ihr Kaliabbau vor die Hunde geht. Was ist geschehen, was sind die Hintergründe?
Man muss dazu wissen, dass die „weißen Berge“ nichts anderes sind als Restehalden. Ein nachhaltiger Plan, was letztendlich mit dem Material passiert, wurde bis heute immer in Aussicht gestellt, konkreter wurde man jedoch noch nicht. Fakt ist, dass durch Niederschläge Salze aus den Halden gelöst werden. Diese Regenauswaschungen von den Halden bei Neuhof ließ man einfach versickern, sie wurden in tiefe Erdschichten “versenkt” oder in die Flüsse Fliede und damit in die Fulda geleitet. Im Moment fließen die salzigen Auswaschungen durch eine extra dafür gebaute Pipeline in Richtung Osten an die Werra. Dort werden sie in der Produktion noch einmal genutzt und schließlich in den Fluss geleitet oder in den tieferen Erdschichten östlich von Bad Hersfeld und in der „Gerstunger Mulde“ in Thüringen versenkt.
Selbige Entsorgungswege der Laugen müssen vom Regierungspräsidium genehmigt werden, was bis dato auch immer passierte. Denn der Konzern fand bis jetzt immer Mittel und Wege, die Versenkerlaubnisse und Einleitgenehmigungen zu erhalten.
Mindestens genauso lange aber stand und stehen die zuständige Behörde und die jeweilige Landesregierung in Hessen unter Druck. Als erstes durch die Werra-Weser Anrainergemeinden und Wissenschaftler, durch die neu in den Landtag eingezogene Fraktion “Die LINKE” und schließlich durch Umweltverbände, die alle vom Kalikonzern eine Änderung der Praxis im Umgang mit Haldenauswaschungen und Produktionsabwässern verlangen. Denn das Problem beim Versenken ist, dass es zu einer Versalzung des Trinkwassers führt. Das Einleiten der Laugen in die Flüsse verändert die Artenvielfalt dieser Biotope, und auch in der salzigen Nordsee, dem UNESCO Weltkulturerbe Wattenmeer, stellen die Laugen ganz einfach Abwasser dar; die chemische Zusammensetzung ist komplett anders als das Meerwasser.
Der Konzern versprach mit gut klingenden Konzepten wie „Neue integrierte Salzlaststeuerung (NIS)“, „Vier-Phasen-Plan“ und „dreidimensionales Grundwassermodell“, sowie diversen Pipeline-Plänen Besserung und erhielt immer wieder Aufschub bei der Einhaltung der Umweltgesetze. Allen Beteiligten war jedoch lange bekannt, dass die letzte Versenkgenehmigung zum 30. November 2015 auslaufen würde. Technisch vorbereitet war die K+S AG offensichtlich nicht. “Die Hoffnung stirbt zuletzt” titelt eine Aktionärszeitung noch letztens am 4. Dezember 2015.
Und es stellt sich die Frage: Hoffnung auf was? Wie soll von einem Tag auf den anderen die Produktion umweltfreundlich umgestellt werden, wenn sich der Konzern schlicht weigert den Stand der Technik umzusetzen und mit immer neuen Verzögerungstaktiken Einfluss nimmt, damit alles so weiter laufen kann wie bisher? Mit dieser Erpressungstaktik nimmt der Konzern eine ganze Region in Geiselhaft.
Dabei ist eine andere Produktionstechnik möglich. Produktionsabwässer können z.B. eingedampft werden. Auch entstehen Haldenabwässer erst gar nicht, wenn Versatzbergbau betrieben wird und die Halden nicht nachkommenden Generationen überlassen werden.
Doch passiert ist das Gegenteil. Die Halden wurden und werden immer größer. Die gigantischen Haldenerweiterungen an der Werra und im Fuldaer Land wurden nur mit dem Vorbehalt genehmigt, dass der Entsorgungsweg für die Halden- und Produktionsabwässer geregelt wird. Und dies ist er offensichtlich immer noch nicht. Das müsste eigentlich die Genehmigungsbehörden auf den Plan rufen, die einen sofortigen Haldenabbau fordern müssten, genauso wie die Halden ab sofort unter Tage zu bringen. Auch an der Werra ist eine abwasserarme Produktion möglich, wie sie inzwischen in Neuhof bei der Aufbereitung der Kaliprodukte seit Jahrzehnten praktiziert wird.
Doch diese Anforderungen vermochten die jeweiligen Landesregierungen gegen den Konzern nicht umzusetzen, dessen Ziel offensichtlich einzig und allein die Profitmaximierung ist. Dabei müsste das Land Hessen einfach nur das umsetzen, was zum Kalibergbau in der Hessischen Verfassung steht:
Verfassung des Landes Hessen Artikel 41
Sofortsozialisierung von Kohle und Stahl, Erzen und Kali, Energie und Eisenbahnen
(1) Mit Inkrafttreten dieser Verfassung werden
- in Gemeineigentum überführt: der Bergbau (Kohlen, Kali, Erze), die Betriebe der Eisen- und Stahlerzeugung, die Betriebe der Energiewirtschaft und das an Schienen oder Oberleitungen gebundene Verkehrswesen,
- vom Staate beaufsichtigt oder verwaltet, die Großbanken und Versicherungsunternehmen und diejenigen in Ziffer 1 genannten Betriebe, deren Sitz nicht in Hessen liegt.
Die Hessische Landesregierung schafft es nicht den Konzern zu einer Produktion zu veranlassen, die nicht die Grundwasserleiter irreparabel beschädigt und die Wasserrahmenrichtlinie für Oberflächengewässer achtet. Die Grüne Umweltministerin Priska Hinz zeigt sogar selbst Schleichwege auf, wie sich der Konzern wieder durchmogeln kann. Am 3. Dezember 2015 stellte sie einen “Masterplan Salzreduktion” vor, einen Tag später sogar einen “erweiterten Masterplan Salzreduktion” und fabulierte wörtlich: „Dies ist nicht nur eine langfristige Lösung, die auf breiter Zustimmung basiert, sondern wir verbinden darin auch die ökologischen Anforderungen mit der Erhaltung des Kalistandorts.“ Gefallene Stichworte zum “Plan” verdeutlichen, dass es sich wieder um Luftnummern handelt. So spricht er von „Verdampfung der Salzabwässer“ was nur Sinn macht, wenn die Rückstände unter Tage kommen. Doch davon kein Wort. Vielmehr spricht man von einer früher beginnende Haldenabdeckung, was doch nur bedeuten kann, dass die Halden da bleiben sollen, wo sie sind. Desweiteren beinhaltet der Masterplan eine Einstapelung unter Tage als Pilotprojekt, was nichts anderes bedeutet, als alte Kalibergwerke in Thüringen zu fluten. Als letztes wird die Oberweser-Pipeline genannt, was jedoch klar gegen die Wasserrahmenrichtlinien verstößt.
Interessanterweise jedoch schaltete der Konzern auf stur. Viele Kalikumpel wurden sogar ab 1. Dezember 2015 in Zwangsurlaub geschickt und die normal Arbeitenden per Interessensausgleich zu Lohnkürzungen verdonnert. Dies diente dem Zweck, Behörden, Landesregierung und Umweltministerin noch gefügiger zu machen. Am 18. Dezember schon hatte diese Taktik Erfolg: Das Regierungspräsidium Kassel gab eine erneute befristete Versenkerlaubnis und bezeichnete es als Zwischenlösung für K+S.
Für den Konzern also alles wieder „in Butter“?
Nein, denn sie haben nicht mit den erfolgreichen Bemühungen der Gerstunger Aufmüpfigen gerechnet, die um ihr Trinkwasser kämpfen und dafür streiten, dass die Machenschaften des Konzerns aufgedeckt werden. Auch in Hessen fanden sie vereinzelte Unterstützer in diesem Streit. Sie sammelten Fakten, Merkwürdigkeiten und Zusammenhänge. Schon lange wurde eine Kooperation der Genehmigungsbehörde mit K+S über das normale Maß hinaus vermutet. Jetzt erhärten sich die Verdachtsmomente und das Regierungspräsidium Kassel steht in der Kritik, dass es K+S die Manipulation von Akten ermöglicht hätte. Zumindest ist nun so viel Material vorhanden, dass der Staatsanwalt tätig werden muss.
Dazu ein kleines nebensächliches Beispiel, dass aufzeigt, wie Antragsteller K+S und Genehmigungsbehörde in Kassel kooperieren. Im Jahr 2010 hatte ich mich mit der Einwendung gegen die Laugenpipeline von Neuhof an die Werra befasst. Viele Stunden hatte ich im Fuldaer Bürgerbüro verbracht und die 16 Aktenordner der Unterlagen von K+S gesichtet. Ich versuchte beim Bergamt in Kassel eine CD mit den Auslegungsunterlagen der Behörde zu bekommen, dies wurde mir auch zunächst zugesichert und ich sollte meine Anschrift mitteilen. Dann erhielt ich die Antwort: „Sehr geehrte Frau Masche, K+S hat mir mitgeteilt, dass Ihnen kein digitaler Planungsordner zur Verfügung gestellt wird. Von daher darf ich Sie auf die Einsichtnahme vor Ort in die Papierunterlagen verweisen.“
Vielleicht war dem Mitarbeiter der Behörde gar nicht klar, was er da schrieb: Die Behörde als durchführendes Organ des Genehmigungsverfahrens lässt sich von K+S vorschreiben, wer Zugang zu den digitalen Planungsunterlagen haben darf, die Bestandteil der öffentlichen Auslegung waren. Ich muss auch davon ausgehen, dass der Datenschutz durch die Behörde nicht gewahrt wurde.
Im großen Stil sind wohl ähnliche Vorgänge jetzt bei den Hausdurchsuchungen in der Konzernzentrale und bei der thüringischen Genehmigungsbehörde aufgefunden worden.
Aus Abgeordnetenkreisen im Hessischen Landtag ist zu vernehmen, dass die Vorwürfe schwerwiegend sind.
Vielleicht so schwerwiegend, dass der Konzern, dessen Aktien seit Herbst 2015 im Sinkflug sind, die Segel streicht, den Kaliabbau aufgibt. Dabei sind die Profite aus den letzten 100 Jahren längst eingefahren. Die Abfälle würden sie so dankenswerter Weise der Allgemeinheit und zukünftigen Generationen hinterlassen.
Das Szenario, dass wir als Kritiker der Umweltverschmutzungen durch die Kaliindustrie verhindern wollten, scheint nun in Gang gesetzt und wir Bürgerinnen und Bürger bleiben sitzen auf unseren irreparabel versalzenen Grundwasserleitern, den Haldenungetümen aus denen noch über 1000 Jahre Ewigkeitskosten entstehen und den zu befürchtenden Geländeabsenkungen wegen fehlender Verfüllungen.
Anfragen in Kreistag und Stadtparlament hatten bereits 2011 ergeben, dass K+S messbare Absenkungen zugibt. Und das ist wohlmöglich erst der Anfang. Werden die Strecken nicht verfüllt und bleibt der Abraum auf der Halde liegen, schließen sich die unterirdischen Hohlräume und es können schlimmstenfalls Erdfälle und Krater entstehen oder bei unregelmäßigen, stetigen Absenkungen Risse in Gebäuden, die bis zur Unbewohnbarkeit führen können. Versalzungen an Quellwassern, wie z.B. in der Quelle in Johannisberg wurden auch schon zugegeben. Wer weiß, was noch alles zutage tritt.
Spätestens jetzt muss der Konzern verpflichtet werden, die Umweltschäden zu beseitigen. Auch das schafft und erhält Arbeitsplätze in der Kaliindustrie und sichert den Kolleginnen und Kollegen ihr Auskommen. Zu diesem Zwecke meine ich sollte jeglicher Besitz der Aktiengesellschaft gerichtlich beschlagnahmt und sichergestellt werden.
Karin Masche
Die Autorin ist seit 2011 Stadtverordnete der Fraktion „Die Linke.Offene Liste“, zuvor zum Landeswahlprogramm 2006 hat sie das Thema Kaliindustrie in die Diskussion in das Landeswahlprogramm „Die LINKE eingebracht und kandidierte mit diesem Schwerpunktthema 2007 zum Hessischen Landtag.
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