Welcome to Schilda

Kein Blackfacing: Zwei junge Rhönschafe (Foto: Sudorculus, Wikipedia, CC-BY-SA 3.0)

Mögen uns einige politische Eskapaden zu früheren Zeiten nicht hinnehmbar erscheinen, so sind sie heute doch allzu oft Normalzustand geworden. Das liegt wohl nicht daran, dass die Bürger dieses Landes und dieser angeblich „bunten, weltoffenen und toleranten Stadt“ damals noch einer wesentlich humaneren Geisteshaltung folge leisteten.

Es ist heute nur der Punkt erreicht, an dem die fortlaufende Rechtspopulismuswelle die Menschen bestärkt, ihre inneren Ressentiments unverblümt nach außen zu kehren und weiterhin zu festigen.

Vor vier Jahren hatte ich noch ein Erlebnis der dritten Art, als ich wochenends in einer Lokalität mit Ruf und Namen im Bermudadreieck mich mit einem Menschen unterhielt, dessen Einstellung ich eigentlich schon vom Aussehen hätte herleiten müssen. Der „Patriotic-Pride“-Pulli sprach Bände, und ich wollte es lieber nicht darauf ankommen lassen, mich mit ihm über Politik zu unterhalten. Er zog es insgesamt auch vor, über die Freundschaft zu fabulieren und erzählte davon, wie er und sein bester Kumpel jeweils gleichzeitig immer auf ähnliche Ideen kämen. Als sie letztes Jahr so da saßen und nach einer passenden Idee für diesen Brauch suchten, seien sie im selben Moment auf ein und denselben Einfall gekommen: „Wir stellen uns auf den Uniplatz und bewerfen die B**bos mit Bananen!“ Er redete im Anschluss noch davon, dass sie das dann auch so durchgezogen hätten. Meiner damaligen Begleitung macht es heute noch Spaß, meinen Gesichtsausdruck nachzuahmen, den ich daraufhin entgegnen musste.

Wir spulen vier Jahre vor und ich muss zugeben, dass in der Debatte rund um den „Südend-N*g*r“ gewisse Parallelen zu der Geschichte von damals zu finden sind. Das Bild des primitiven, dunkelhäutigen Afrikaners wird mit Humor aufrecht erhalten, doch im Gegensatz zu der Einmal-Aktion von zwei Spatzenhirnen vor vier Jahren hat diese selbsternannte Tradition diesmal Kontinuität. Neben der Kannibalismusästhetik trägt der inzwischen bundesweit bekannte Fastnachtsverein auch Uniformen zur Schau, die an die kolonialistischen Herrenmenschen der Kaiserzeit erinnern, und es wird ein Schlachtruf geübt, der die für westliche Ohren anscheinend unzivilisierte Sprache afrikanischer Menschen parodiert. Ein Extremfall, der wiederum eine Gruppe von linksgerichteten Studierenden in Fulda auf den Plan brachte, den Dialog mit dem Fastnachtsverein zu suchen. „Alles ganz human, die sind sich der Sache nicht bewusst, mit denen kann geredet werden“ – dachten sie. Als die erhoffte Einsicht sich nicht einstellte, entschied sich die Gruppe, den Umstand öffentlich zu machen. Und was macht Schilda? Schilda solidarisiert sich mit dem Verein. Von Oberbürgermeister bis Hochschuldekan scheint man kein Problem damit zu haben, geht den vorliegenden Argumenten völlig aus dem Weg und ignoriert die Kritik. Dabei braucht es nur ein kurzes Beispiel, um die gesamte Gemengelage richtig zu beschreiben: ,,Blackfacing“ hat sich zu seiner Anfangszeit als Kunstform in der amerikanischen Bühnenkultur des 18. und 19. Jahrhunderts etabliert. Weiße Schauspieler verkleideten sich als Afroamerikaner, um schwarze Stereotype aufs Korn zu nehmen und diese dadurch zu festigen. Diese zutiefst menschenverachtende Form der Unterhaltung erfüllte nicht nur den Zweck der Selbstprofilierung der weißen Oberschicht, dunkelhäutige Amerikaner sollten auch gezielt in die Rolle des Untermenschen gedrängt werden, um die grassierende Apartheit aufrecht zu erhalten. Nehmen wir mal an, wir würden anstelle des ,,Blackfacings“ ein ,,White Facing“ erfinden, bei dem schwarze Menschen sich als ,,ach so zivilisierte“ Weiße verkleiden, um dann im Anschluss auf der Bühne schwarze Sklaven auszupeitschen… Richtig, die Allgemeinheit und die Boulevardblätter sprächen sofort von einer unterirdischen Geschmacklosigkeit. Und genau das ist die ganze Chose mit dem „Südend-N*g*r“ unterm Strich.

Der Verein gibt sich weiterhin nicht einsichtig, verteidigt sich mit dem losen Argument der Tradition. Dann wird im Anschluss eine Strategie gefahren, in der die Deutschen Weltmeister sind – nach begangener Tat folgt die eigene Opferinszenierung. Der Verein beantragt für den Rosenmontagszug Polizeischutz, und es erscheint ein Artikel mit einem Bild des süßen älteren Karnevalisten, der die Rolle des „Südend-N*g*rs“ mimt, auf dem er traurig guckt, um die Gemüter zum Schmelzen zu bringen. Er will ja nur seinen Spaß haben und niemanden kränken. Der unweigerliche Tiefpunkt der ganzen Krux wird erreicht, als sich einige von Schildas Bürgern auf dem Rosenmontagszug 2017 mit dem Verein solidarisch zeigen wollen. Sie hängen sich dazu Schilder um, auf denen: „Je suis Südend“ steht. Damit wird das islamistische Attentat in Paris mit den Rassismusvorwürfen, denen der Verein berechtigterweise ausgesetzt ist, gleichgesetzt. Dass dadurch nicht nur rassistische Stereotype unterstützt, sondern auch die von Klerikalfaschisten ermordeten Menschen in Paris verhöhnt werden, scheint den jeweiligen Menschen nicht aufzufallen. Theodor W. Adorno pflegte es, jeglichen Zustand von Faschismus und Gewalt als Barbarei zu bezeichnen, da diese sich gegen die Gedanken von Aufklärung und Humanität richten. „Barbarei“ als Wort beinhaltet in sich schon, dass etwas als primitiv und unzivilisiert betrachtet wird. Beim Fall des „Südend-N*g*rs“ ist es auffallend, wer die eigentlichen Primitiven sind, und das sind mit Sicherheit nicht Menschen afrikanischer Herkunft.

Ein Beitrag von Christoph Wollscheid